Westfalenpost: Kommentar zu Insolvenz/Einzelhandel/Unternehmen/Schlecker-Pleite und ihre Folgen/Letzte Hoffnung ist die öffentliche Hand/Von Joachim Karpa
Hagen (ots)
Die Drogeriemarktkette Schlecker zerfällt. Pro Monat macht sie mehr als 20 Millionen Euro Minus. Jede zweite Filiale soll geschlossen werden. Fast 12 000 Mitarbeiter, in der Mehrzahl Frauen, werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Ein Niedergang, der seinesgleichen in Deutschland sucht. Wird der Verbraucher etwas vermissen? Auf den ersten Blick nicht. Konkurrenten wie dm, Rossmann, Müller und Co. werden von der Pleite profitieren. Um es anders zu formulieren: Schlecker hat ihnen in Wirklichkeit schon seit Jahren Gewinn gebracht. Warum? Schlecker hat der Konkurrenz vorgemacht, wie es nicht geht. Die Mitarbeiter mussten für kleines Geld arbeiten und wurden zum Dank dafür auch besonders schlecht behandelt. Nicht nur das. Nicht wenige Filialen zeichnet räumliche Enge und schmuddelige Atmosphäre aus, und Markenartikel kosten hier in der Regel mehr als bei der Konkurrenz. All das registriert der Kunde, merkt es sich und kommt nicht wieder. Kaufmännische Fehler, der Umsatz pro Quadratmeter lag bei Schlecker im Jahr 2010 bei 2200 Euro, zum Vergleich bei dm betrug er 6500 Euro, komplettiert den fatalen Gesamteindruck. Das Management hat alles falsch gemacht - und das auf Kosten Tausender Mitarbeiter. Sie bangen um ihre Existenz, setzen auf staatliche Unterstützung. Für Betriebsrat und Gewerkschaft ist die Grundversorgung in den ländlichen Gebieten der Hebel, um an öffentliche Gelder zu kommen, um Arbeitsplätze zu sichern. Mancherorts hat die Schlecker-Filiale die Funktion des Tante-Emma-Ladens übernommen. So könnte beispielsweise der Europäische Sozialfonds (ESF) Mittel bereitstellen, um die defizitären Filialen auf dem Land vor dem Aus zu retten. Auch sind Bürgschaften der Länder denkbar, um mögliche Schlecker-Investoren zu locken. Noch ist es zu früh, um zu sagen, was von Schlecker bleiben wird. Sicher ist, der Umbau wird kommen. Firmengründer und Konzernchef Anton Schlecker hat sich nicht um seine Beschäftigten geschert. Der Politik kann und darf das Schicksal Tausender nicht gleichgültig sein. Es müssen verträgliche Lösungen her - im Sinne der Menschen.
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