Westfalenpost: Kommentar zu Unternehmen/RWE/Von Lorenz Redicker
Hagen (ots)
Jürgen Großmann geht - und hinterlässt, nun ja, keinen Sanierungsfall, wie der scheidende Vorsitzende gestern korrekt anmerkte, aber doch eine Baustelle. Der Energieriese RWE hat ja nicht nur einen Gewinneinbruch um fast die Hälfte erlitten und einen ordentlichen Schuldenberg angehäuft. RWE steckt inmitten einer Energiewende, die der Konzern allzu lange verschlafen hat. Finanziell blieb das eine Zeit lang folgenlos, inzwischen aber macht sich das Zögern und Zaudern bei den Erneuerbaren in der RWE-Bilanz bemerkbar. Großmann war und ist der Atom-Dino der Branche, der eifrigste Klapperer für seine und die anderen deutschen Kernkraftwerke. Damit hatte er kurzfristig Erfolg (Laufzeitverlängerung), bis ihm die Atomkatastrophe von Fukushima einen Strich durch die gewinnträchtige Rechnung machte. Großmann trommelte unbeirrt weiter für die Atomkraft, diesmal erfolglos. Sein Nachfolger Peter Terium geht mit dem Atomthema pragmatischer um: Neue AKW will der Holländer nur bauen, sofern es sich rechnet. Und das tut es derzeit nicht, jedenfalls nicht unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Das hatte und hat die Atomkraft gemein mit vielen erneuerbaren Energien. Aber hier greift der Staat ein, und deshalb lässt sich mit Erneuerbaren Geld verdienen. Was viele Stadtwerke längst begriffen haben, RWE eher nicht. Jetzt wollen die Essener in großem Stil in die Offshore-Windkraft einsteigen. Energiepolitisch ist das sinnvoll, Offshore-Strom gilt als grundlastfähig, fast immer bläst Wind. Ironie der Geschichte: Für die Stromkunden ist die Windenergie vom Meer inzwischen eine teure Angelegenheit - sie kostet mehr als Solarstrom aus Großanlagen. Das Kern-Problem des Energieriesen RWE bleibt damit bestehen: Er kann Großkraftwerke, dezentrale Stromerzeugung ist nicht sein Ding, im Gegenteil. Die vielen Solardächer haben RWE das Geschäft zuletzt richtig vermiest, dem Konzern Marktanteile genommen, dazu die Preise kaputt gemacht. Die Solarförderkürzung kommt den Versorgern (auch Eon) deshalb zupass. Ob damit der Trend zu dezentralen Kraftwerken gestoppt wird, ist fraglich. Für RWE heißt das: Der Konzern muss seine Rolle nach der Energiewende erst noch finden. Es bleibt unruhig in Essen.
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