Westfalenpost: Literaturnobelpreis - Die Sprache des Sprachlosen Von Andreas Thiemann
Hagen (ots)
Nein, die Nobelpreis-Ehre war dem Bauernsohn und späteren Befreiungsarmisten Mo Yan wahrlich nicht in die Provinz-Wiege gelegt. Und dass er sich den Künstlernamen "Der Sprachlose" gegeben hat, ist in der langen Geschichte dieser weltbedeutendsten Literaturauszeichnung wohl auch einzigartig. In seiner Erzählung "Der durchsichtige rote Rettich" schrieb Mo Yan 1986: "Die Sonne scheint heute besonders prächtig. Selbst in den hintersten Winkeln des dunklen Gewölbes dringen ihre Strahlen. Ihr Widerschein lässt alles im Raum erstrahlen." Die Worte lesen sich heute wie eine phantasievolle Vision des jungen chinesischen Schriftstellers von einem fernen Erfolg, den er - und sein Land - heute tatsächlich errungen haben. "Nun auch noch der Literaturnobelpreis", mögen chinakritische Beobachter murren, doch in Literaturkreisen gilt die Auszeichnung keineswegs als unverdient. Mo Yans magischer Realismus ist gut lesbare Literatur, die modernes Schreiben mit traditionellem Denken poesievoll verbindet. Nicht völlig unkritisch gegenüber der Gegenwart, aber doch ohne jedes rebellische Aufbegehren formuliert Mo Yan seine Texte. Vielleicht ist am Ende sogar der sanfte Weg zur Veränderung erfolgreicher als der ungestüme Streit. Wir werden es lesen.
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