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NRZ: Merkels Stunde der Wahrheit - Kommentar von Chefredakteur Rüdiger Oppers
Essen (ots)
Wenn heute über die Rettung des Euro abgestimmt wird, steht auch die Stabilität der Regierungskoalition auf dem Prüfstand. Mit Spannung wird erwartet, ob Angela Merkel noch auf eine Kanzlermehrheit zählen kann. An den Rand gerückt ist die viel wichtigere Entscheidung, ob es lohnt, ungeheure Milliardensummen aus deutschen Steuergeldern an befreundete, aber schwer zu kon-trollierende Staaten zu geben. Eine Antwort auf diese Frage zu geben, ist für die Abgeordneten des deutschen Bundestags eine höchst anspruchsvolle und ernste Angelegenheit.
Es geht nicht nur um die Wirtschaft Griechenlands, sondern auch um das Wohlergehen der deutschen Bürger. Womöglich ist diese Perspektive bei vielen Mandatsträgern aus dem Fokus geraten. Stattdessen beherrschen Argumente der Machtpolitik die Diskussion. Das ist bedauerlich, aber die Realität der Berliner Republik: Sachfragen werden nicht mit kühlem Kopf, sondern heißem Herzen angegangen.
Abgesehen davon, geht es um eine historische Entscheidung. Deshalb braucht die Kanzlerin in dieser für Europa und die Weltwirtschaft bedeutsamen Abstimmung, nicht irgendeine, sondern die eigene Mehrheit. Es sieht so aus, als könnte es ihr in letzter Sekunde gelingen, genügend Stimmen der Koalition zu mobilisieren. Knapp, aber ausreichend.
Dass dies als starkes Signal für Angela Merkel gewertet würde, lässt erkennen, wie angeschlagen die Bundesregierung wirklich ist. Käme die Mehrheit nicht zustande, wäre die Kanzlerin angezählt. Jede weitere Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm wäre zumindest indirekt mit der Vertrauensfrage verbunden. Früher oder später müsste diese im Parlament tatsächlich gestellt werden.
In der Bevölkerung ist sie längst beantwortet. Schon lange fehlt es den Bürgern an Vertrauen in die Bundesregierung - und dieser ganz offensichtlich das Selbstvertrauen in die eigene Politik. Die Wähler haben die quertreiberische FDP bereits auf das Niveau einer Splitterpartei herabgestuft. In dieser Situation schlägt für Angela Merkel heute die Stunde der Wahrheit, aber für die Koalition gewiss nicht das letzte Stündlein. Weder CDU noch FDP werden mit prognostizierten gemeinsamen 33 Prozent Neuwahlen provozieren.
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