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NRZ: Gute Pflege gibt es nicht umsonst - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
In der Kranken- und Altenpflegeausbildung spielt der Begriff "Ganzheitlichkeit" eine wichtige Rolle. Eine ganzheitliche Pflege berücksichtigt die Bedürfnisse von Körper, Geist und Seele gleichermaßen; und nur eine solche Pflege werde dem Patienten wirklich gerecht, heißt es in der Ausbildung. Im Pflegealltag haben solche theoretischen Erwägungen keinen Platz. Das gilt für das Krankenhaus, aber umso mehr für die ambulante Pflege. In der ambulanten Pflege werden am Patienten "Verrichtungen" vorgenommen, die innerhalb bestimmter "Zeitkorridore" durchgeführt und akribisch dokumentiert werden müssen. Was ganzheitliche Pflege sein sollte, ist tatsächlich Pflege im Akkord, die zudem beschämend honoriert wird. Das wird niemandem gerecht; nicht den Pflegebedürftigen, nicht den Pflegenden, die nicht selten unter dem Druck zerbrechen, der auf ihnen lastet. Natürlich kann man argumentieren: Für die geistige und seelische Betreuung von Oma und Opa ist die Familie da. Das aber ist Wunschdenken. Was für die Kindererziehung gilt, die allzuoft an Kita oder Schule delegiert wird, trifft auch für die Beschäftigung mit den Alten und Kranken zu - es fehlt die Zeit, weil irgendwie alle arbeiten müssen; es fehlen Kompetenz oder einfach die Lust; oder es fehlen schlicht die familiären Bindungen. Dafür können aber weder die Pflegebedürftigen noch die Pflegenden etwas, weswegen sich die Gesellschaft dringend Gedanken darüber machen muss, wie sie mit den immer ärger werdenden Missständen umgeht. Eines ist klar: Die Wertschätzung von alten, kranken Menschen und derjenigen, die sie pflegen, gibt es nicht umsonst. Am Ende hängt alles von den Finanzen ab: Um die Pflege für alle Seiten menschenwürdiger zu gestalten, wird mehr Geld in das System fließen müssen. Wie das geschieht - ob durch Erhöhung des Pflegebeitrags, die Einführung einer Bürgerversicherung oder Zuschüsse aus Steuermitteln - darf trefflich diskutiert werden. Nur sollten solche Debatten nicht allzu lange dauern. Die Schere zwischen der Zahl der Pflegebedürftigen und der Zahl derjenigen, die einen Pflegeberuf ergreifen, klafft immer weiter auf.
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