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NRZ: Berliner Taktik-Spielereien - ein Kommentar von CHRISTIAN PETERS
Essen (ots)
Vor über zwei Monaten hat Deutschland gewählt - doch regiert werden wir immer noch von einem sogenannten Übergangskabinett. Da sind immer noch die FDP-Minister im Amt, obwohl ihre Partei längst nur noch außerparlamentarische Opposition ist. Guido Westerwelle gibt in Genf staatstragende Erklärungen zum Iran ab, und Noch-Minister Daniel Bahr geriert sich in Washington als Beratungsexperte für Obamas Gesundheits-Reform. Könnte eigentlich alles so weiterlaufen, werden vermutlich Millionen Deutsche denken, ändert sich doch sowieso nichts. Und schaut man sich das Endlos-Gezerre um eine mögliche große Koalition an, beschleicht auch den journalistischen Betrachter dieses politischen "Ringelpiez mit Anfassen" manchmal das flaue Gefühl: Da ist was dran. Aber haben wir noch ein wenig Geduld. Schließlich wollen Schwarz und Rot ja bald zu Potte kommen. Verbindlich-unverbindlich wird er aussehen, der Koalitionsvertrag, der dann noch von der murrenden Basis der Sozialdemokratie abgesegnet werden muss. Er wird übrigens weitgehend eine schwarze Handschrift haben, allen roten Einschwörungen der letzten Wochen zum Trotz. Nun gut, beim Mindestlohn und bei der Frauenquote hat sich die SPD - auf den ersten Blick zumindest - durchgesetzt. Ob das reicht? Für vier Jahre vertrauensvolles Miteinander? Doch offenbar ist es in der großen Politik wie auf dem Fußballplatz: Kondition und Durchhaltevermögen ist das eine - Taktik das andere. Siehe schwarz-grüne Schmuserei in Hessen - mit ausdrücklicher Unterstützung der grünen Bundesspitze und echten Chancen auf ein Bündnis - und Öffnung der Sozialdemokraten hin zur Linkspartei. Die SPD sollte sich allerdings nichts vormachen: Sagen die Mitglieder nein zu Angela Merkel, wird ihr ehemaliger grüner Koalitionspartner ruckzuck Platz nehmen am Berliner Verhandlungstisch. Einen Automatismus hin zu Neuwahlen, wann auch immer, gibt es nämlich nicht. Nicht mehr. Die Hände reiben sich die Linken um Gregor Gysi. Der scharfsinnige Berliner Anwalt darf sich auf seine Opposition(-Führer?)-Rolle freuen, schon jetzt hat seine Partei in allen Umfragen kräftigen Zulauf. Und eine Macht-Option spätestens für 2017 dazu. Schließlich gibt es eine Mehrheit links der Union rechnerisch schon jetzt, auch wenn sie aller Voraussicht nach (noch) nicht umgesetzt wird. Fest steht: In vier Wochen ist Weihnachten, und 2014 wird kommen - wer auch immer uns dann regieren mag.
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