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NRZ: Anschlag auf die freie Gesellschaft - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Eine Zeichnung hat niemals irgendjemanden getötet. Das hat Stéphane Charbonnier einmal gesagt, der Herausgeber von Charlie Hebdo. Zeichnungen töten nicht. Hass und Fanatismus und Intoleranz töten. Stéphane Charbonnier ist gestern zusammen mit elf weiteren Menschen ermordet worden, bei einem beispiellosen Anschlag auf die Pressefreiheit mitten in Europa. Die ein Grundpfeiler freier, demokratischer Gesellschaften ist. Die Redaktion von Charlie Hebdo wurde in den vergangenen Jahren immer wieder bedroht von islamistischen Fanatikern, weil sie eben nicht nur Christen- und Judentum kritisch karikierte, sondern auch den Islam. Religionen müssen aber Kritik aushalten können, auch derbe. Die Killer, die Charlie Hebdo angegriffen haben, stehen außerhalb unserer freien Gesellschaft - sie wollen sie zerstören.
Es spricht viel dafür, dass die Täter Rückkehrer aus den Kriegen im Irak und Syrien waren. Sie sprachen fließend französisch, waren militärisch geschult, eiskalt und sollen während ihres Massakers "Gott ist groß" gerufen haben. Fanatisierte und brutalisierte junge Männer aus den Kriegsgebieten sind eine reale Gefahr für Europa, das hat sich schon im vergangenen Jahr beim Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel gezeigt. Und egal wie aufmerksam die Sicherheitsbehörden sein mögen, die absolute Sicherheit wird es nicht geben können, auch in Deutschland nicht, wenn die offene Gesellschaft nicht zu einem Überwachungsstaat werden soll.
Die Morde von Paris und Brüssel dürfen nicht die Angst obsiegen lassen. Sie dürfen die Gesellschaft nicht spalten. Die Gefahr ist größer denn je. In Frankreich, wo ohnehin drei Viertel der Bevölkerung den Islam kritisch sehen, genauso wie in Deutschland. Die muslimischen Gemeinden in Frankreich haben den Angriff bei Charlie Hebdo auf Schärfste verurteilt. Der Front National wird trotzdem Zulauf bekommen. Es ist müßig, aber man muss es immer wieder betonen: Die Fanatiker, die im Namen des Islam Blutbäder anrichten, haben so wenig mit ihrer Religion gemein, wie Anders Behring Breivik, der sich auf einer Kreuzfahrer-Mission für das "christlich-jüdische Europa" wähnte, als er 2011 in Norwegen 77 Menschen tötete.
In den siebziger und achtziger Jahren haben linksterroristische Bewegungen wie die Action directe oder die RAF in Europa gemordet. Sie haben es nicht geschafft humanistische Ideale, Freiheit und Toleranz mit ihrem Hass zu vernichten. Das darf auch islamistischen Fanatikern nicht gelingen.
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