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NRZ: Wechselstimmung in Deutschland - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Der Umfragen-Höhenflug der SPD hält an. 31 Prozent in der Forsa-Erhebung, so viel Zustimmung hatte die Partei zuletzt vor fünf Jahren. Martin Schulz wirkt. Erstaunlich: Er kann soziale Gerechtigkeit einfordern, ohne mit Häme überschüttet zu werden, obwohl er für eine Partei antritt, die den ausufernden Niedriglohnsektor, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und die Deregulierung der Finanzmärkte maßgeblich vorangetrieben hat. Immerhin war die SPD seit 1998 ganze 15 Jahre in Regierungsmitverantwortung. Es geht dabei wohl weniger um den Kandidaten selbst, trotz seiner beeindruckenden Lebensleistung; auch nicht um Inhalte oder politische Konzepte, die Schulz bislang nur phrasenhaft skizziert. Es reicht, dass Schulz nicht aus der Berliner Politik-Blase stammt. Viele Menschen in Deutschland wollen eine Veränderung; aber eine, die nicht von Populisten getragen wird. Die USA sind ein abschreckendes Beispiel für viele bürgerliche Wähler, so weit wie dort wollen es die meisten trotz oft tief sitzender Verärgerung über den politischen Betrieb nicht kommen lassen. Ob die Wechselstimmung bis in den Herbst hinein anhält, ist offen. Bis dahin wird dem einen oder anderen vielleicht auffallen, dass die politische Programmatik der Kanzlerin und ihres Herausforderers sich nur punktuell unterscheiden; dass also auch mit einem Kanzler Martin Schulz kein radikaler Politikwechsel stattfinden wird. So oder so: Schulz revitalisiert die Begeisterung für Politik bei Menschen, die den demokratischen Konsens nicht verlassen wollen und den Wettbewerb in der demokratischen Mitte. Für Deutschland kann das nur gut sein.
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