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NRZ: Kirchentag mit Werten für alle Menschen - von MANFRED LACHNIET
Essen (ots)
Wenn Christi Himmelfahrt auf dem Kirchentag Merkel und Obama vorm Brandenburger Tor über die Demokratie plaudern, dann ist das natürlich auch eine großartige Show: Für die Selbstdarstellung der Kanzlerin, für den beliebten Trump-Vorgänger - und ebenso für die evangelische Kirche selbst. Die fünf Festtage in Berlin und Wittenberg sind ein Höhepunkt im Luther-Jahr. Hunderttausende sind dabei, Medien berichten weltweit. 23 Millionen Euro lassen sich die Protestanten das Ereignis kosten. Das viele Geld mag vielleicht gut angelegt sein, wenn man auf die Verbreitung der guten Botschaft baut: Nächstenliebe, Toleranz, Mildtätigkeit. Das sind christliche Werte, die heute nötiger denn je sind, ganz sicher. Aber diese Werte sind auch in anderen Religionen und selbst bei atheistischen Philosophen fest verankert. - Den anderen zu töten oder auszugrenzen kommt keinem Menschen in den Sinn, der seinen Glauben ernst nimmt oder der moralisch gefestigt durchs Leben gehen will. Dennoch kommt nach dem furchtbaren Attentat von Manchester wieder einmal die Frage auf, ob Gewalt nicht in der Religion Islam quasi verankert ist. Schließlich berufen sich viele Mörder und Attentäter auf Allah oder den Koran. Das stimmt. Aber genauso stimmt die Feststellung, dass Hexenverbrennungen, Kreuzzüge oder Pogrome etwas mit dem Christentum zu tun haben. Oder Ausschreitungen in Ostasien etwas mit dem Hinduismus oder Buddhismus. Die Liste ließe sich beliebig und über alle Zeiten fortsetzen. Denn leider ist es so: Jede Religion birgt ein Potenzial an Gewalt. Aber nur dann, wenn sie Hetzern, Wortverdrehern oder anderen Verbrechern in die Hände fällt. Bei uns in Westeuropa hat es Jahrhunderte gedauert und unzählige Opfer gekostet, bis das Christentum sich auf den Kern der Botschaft Jesu berufen konnte: Liebe deinen Nächsten. In anderen Regionen unserer Welt ist das noch lange nicht so. Auch, weil es etwa im Islam (noch) keinen Reformator wie Martin Luther gegeben hat. 500 Jahre hat die Entwicklung bei uns gedauert... Es ist gut, dass auf dem Kirchentag das Verbindende der Religionen in den Vordergrund gestellt wird. Man redet und diskutiert miteinander, sucht nach Lösungen. Das ist der richtige Weg. Denn nur das Interesse am Anderen, die Offenheit, Toleranz und auch die Portion Selbstkritik schützen uns vor denen, die den Glauben für ihre eigenen und tödlichen Zwecke missbrauchen. Wenn das die Botschaft vom Kirchentag sein soll, dann hat sich die große Investition gelohnt.
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