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NRZ: Solidarität mit Italien ist nicht selbstlos - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Deutschland ist prinzipiell bereit, ein Viertel der aus Seenot geretteten Flüchtlinge aufzunehmen, die in Italien anlanden. Das erklärte jetzt Innenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Interview, und auf den ersten Blick überrascht das. Ausgerechnet der Mann, der sich in Migrationsfragen in den vergangenen Jahren versuchte, als Hardliner zu profilieren, hat jetzt seine christsoziale Ader entdeckt? Wohl kaum. Seehofer dürfte vielmehr das Schicksal der neuen italienischen Regierung umtreiben. Das erbärmliche Gezerre um jedes Schiff, das mit Flüchtlingen an Bord versucht, einen italienischen Hafen anzusteuern, war nicht nur aus moralischer Sicht verwerflich und eines Europas unwürdig, das so gern auf seine christlichen Wurzeln verweist. Es hat vor allem dem früheren italienischen Innenminister Matteo Salvini und seiner rechtsradikalen Lega Aufwind verschafft. Salvini ist nicht nur Fremdenfeind, sondern zudem ein ausgewiesener Gegner der Europäischen Union, die derzeit ohnehin in schwerem Fahrwasser ist. Ein Italien, das sich von der Gemeinschaft abwendet, wäre eine Katastrophe für die EU. Also ist es klug, Salvini und seine Gefolgschaft nicht noch weiter aufzumunitionieren, sondern solidarisch mit Italien zu sein. Das gleiche sollte übrigens auch mit Griechenland geschehen. Der AfD spielt der Zug Seehofers in die Karten und sie reagiert mit wohl kalkulierter Schnappatmung. Seehofer, war aus ihren Reihen zu hören, überhole nun die Grünen links und werde mit dieser Offerte für einen verstärkten Zuzug nach Deutschland sorgen. Das ist natürlich Unsinn, denn es geht Seehofer ja explizit nur um jene Flüchtlinge, die aus Seenot gerettet wurden. Und Deutschland hat bereits in den vergangenen Monaten einen wenn auch nicht festgelegten, aber ähnlich Prozentsatz von Schiffbrüchigen aufgenommen. Die Zahl ist mit 565 seit Juni 2018 überschaubar. Gleichwohl geht Seehofer das Risiko ein, dass die Rechten aus seinem Vorhaben Nektar für die anstehenden Wahlen in Thüringen saugen werden. Aber so ist das derzeit wohl: Dämmt man die Gefahr von rechts an der einen Stelle ein, brennt es an einer anderen.
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