Neues Deutschland: Kommentar zum europäischen Fiskalpakt
Berlin (ots)
Die deutsche Bundeskanzlerin weiß: Vom Resultat des zweiten Wahlgangs der französischen Präsidentschaftswahl in einer Woche hängt viel für sie ab. Bestätigt der Sozialist François Hollande seinen Vorsprung vor Nicolas Sarkozy und bleibt er bei seiner Ansage, den nach bundesdeutschem Duktus gestrickten europäischen Fiskalpakt neu zu verhandeln, könnte es bald einsam um Angela Merkel sie werden. Deshalb keilt sie nun in Richtung Paris; die Pläne für eine europaweite Schuldenbremse seien nicht mehr verhandelbar. Befangen von den vermeintlichen Erfolgen des auf gnadenlosem Lohndumping beruhenden bundesdeutschen Sonderweges, der maßgeblich für die Schieflage im Euroraum verantwortlich ist, leidet Merkel offensichtlich unter dem sprichwörtlichen Tunnelblick. So kann sie nicht erkennen, dass die heimische Extratour so oder so ihrem Ende entgegengeht. Und Hollandes Version wäre dabei wahrscheinlich sogar noch die geschmeidigere. Setzt sich das mit Sanktionsandrohungen verbundene Schuldenverbot nämlich europaweit durch, sägt man an dem berühmten Ast, auf dem man selbst sitzt. Denn die südeuropäischen Defizite waren die spiegelbildliche Bedingung für den hiesigen Außenhandelsüberschuss und den auf ihm beruhendem Wirtschaftswachstum. Fallen sie ersatzlos weg, ist auch ein baldiges Ende des deutschen Sonderweges unausweichlich - mit leicht absehbaren Folgen für die deutsche Konjunktur und den Arbeitsmarkt.
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