neues deutschland: NSU-Prozess verschoben: Herr des Verfahrens?
Berlin (ots)
Wenn man von jemand sagt, er sei »Herr des Verfahrens«, dann bedeutet das, er habe eine Sache im Griff. Das Oberlandesgericht München hat den Prozess gegen die NSU-Angeklagten jedenfalls nicht im Griff. Es hat eine Zugangsregelung beschlossen, die einen Teil der Journalisten, ausgerechnet der türkischen und anderer internationaler Medien, von der Prozessbeobachtung ausschloss. Es hat Einwände - auch aus eigenen Kreisen - gegen das sogenannte »Windhundprinzip«, das die internationalen Medien diskriminiert, arrogant weggewischt. Es hat sich gegen jede öffentliche Kritik daran stur gestellt. Es hat rechtliche Hinweise auf die Zulässigkeit und geübte Praxis eines zweiten Übertragungssaals im Gericht - eine Praxis, die sogar das Bundesverfassungsgericht kennt - abgekanzelt. Es hat alle solidarischen Angebote seitens deutscher Medien, alle goldenen Brücken, die auch von dieser Zeitung angeboten wurden, schroff zurückgewiesen. Es hat die verfassungsrechtliche Rüge aus Karlsruhe untätig abgewartet und nimmt diese jetzt zum Anlass für eine Verfahrensverschleppung. Dieses Oberlandesgericht München ist nicht mehr Herr dieses Verfahrens - es darf es auch nicht weiter sein. Wenn ein Gericht schon im Vorfeld eines - und insbesondere dieses - Prozesses so wenig verstanden hat, welche absurden Irrwege es gegangen ist, dann muss der Prozess an ein anderes Gericht übertragen werden, zumindest an einen anderen Richter. Die Gerichtsbarkeit ist zur Selbstkontrolle aufgerufen.
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