Neues Deutschland: zum bundesweiten Ärztestreik
Berlin (ots)
Wenn die Klinikärzte die Trillerpfeife in den Mund stecken und ihre Organisation, der Marburger Bund, stündlich eine Pressemitteilung herausgibt, nimmt man in den Medien für gewöhnlich Haltung an. Niemand will sich den Vorwurf machen lassen, kein Verständnis für die überlasteten, unterbezahlten und von der Gesundheitspolitik abgestraften Spitzenmediziner zu haben. Den demonstrierenden Vertretern von fast 170 000 Ärzten an Universitätskliniken und Krankenhäusern ist hohe Aufmerksamkeit gewiss. Wer kann schließlich nachprüfen, ob ihre Gehälter so unzumutbar sind, wie die Standesorganisationen angeben? Sind die Überstunden tatsächlich so unvermeidlich? Ist die Ärzteflucht nicht auch strukturellen Problemen und anachronistischen Chefarzt-Hierarchien geschuldet? Man wird das wenigstens fragen dürfen, denn im Pflegebereich oder in den für die Krankenhäuser zuständigen Ländern tut man das schon lange. Bei 1,2 Millionen Pflegekräften gibt es ebenfalls Probleme. Ihre Tarife unterscheiden sich schwer von denen ihrer akademisch ausgebildeten Kollegen. Auch sie stehen in einigen Bundesländern im Streik oder kurz davor. Droht man einer Krankenschwester mit dem Verlust von mehreren hundert Euro im Monat, kann das die Existenz bedrohen. Zum Bedauern vieler Pflege-Mitarbeiter kämpft allerdings die gut aufgestellte Ärzte-Lobby in den meisten Bundesländern vor allem für sich selbst. Und das ist wohl zu kurz gepfiffen.
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