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Aachener Nachrichten: Ein Scherbenhaufen - Die Eskalation der Gewalt in Hamburg und die Polizeistrategie; ein Kommentar von Joachim Zinsen

Aachen (ots)

Der "Schwarze Block" ist gewiss kein harmloser Knabenchor. Diese Polit-Hooligans suchen und provozieren häufig gewalttätige Auseinandersetzungen. Doch dass in den vergangenen Tagen Teile der G20-Proteste in Hamburg eskaliert sind, daran trägt auch die Polizeiführung der Hansestadt eine nicht geringe Mitschuld. Die Polizei verfügt in einem Rechtsstaat über das Gewaltmonopol. Daran kann nicht gerüttelt werden. Die Ordnungskräfte haben dafür zu sorgen, dass aus Protestversammlungen heraus keine Straftaten verübt werden. Gleichzeitig müssen sie aber Augenmaß bewahren, das Demonstrationsrecht respektieren und schützen sowie bei Spannungen versuchen, deeskalierend aufzutreten. In Hamburg ist offenbar genau das Gegenteil geschehen. Glaubt man am Donnerstagabend unmittelbar vor Ort anwesenden Reportern des "Spiegel", des Norddeutschen Rundfunks oder des Deutschlandfunks, dann war der Einsatz der Polizei "rabiat" und "völlig unangemessen". Demnach wurde eine bis dahin friedliche Demonstration mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken aufgelöst, weil kleine Teile des "Schwarzen Blocks" der Aufforderung nicht (schnell genug) nachgekommen waren, ihre Vermummung abzulegen. Bilder, die der "Spiegel" live von der Veranstaltung streamte, bestätigen die Version. Man muss nicht so weit gehen wie Jan van Aken. Der Bundestagsabgeordnete der Linken erklärte gestern, die Polizeiführung habe mit dem Einsatz bewusst Bilder provozieren wollen, die nachträglich ihren harten und rechtlich zweifelhaften Kurs gegen Gipfel-Kritiker schon im Vorfeld der Demonstration rechtfertigen sollten. Aber eines ist offensichtlich: Statt zu versuchen, die Lage zu beruhigen, hat die Einsatzleitung mit ihrer Strategie die Stimmung weiter angeheizt. Das war unverantwortlich - auch den eigenen Beamten gegenüber. Ihr Vorgehen erinnert an alte, polizeiliche Konzepte, die eigentlich längst überwunden schienen. Hamburg steht jetzt vor einem Scherbenhaufen: Materiell, weil durchgeknallte, kriminelle Idioten den überharten Polizeieinsatz als Vorwand benutzten, anschließend Schaufenster einzuschlagen oder Fahrzeuge in Brand zu setzen. Politisch, weil nun in Teilen der Öffentlichkeit ein völlig einseitiges und verzerrtes Bild von den Protesten gegen den G20-Gipfel dominiert. Fakt aber bleibt: Neben Hunderten gewaltaffinen Demonstranten - es waren keineswegs die vorher in großen Lettern angekündigten 8000 militanten Chaoten - gibt es mehr als hunderttausend Menschen, die ihren Protest gegen die ungerechten und mörderischen Zustände dieser Welt friedlich, bunt und kreativ zum Ausdruck brachten oder noch bringen wollen. In einer zunehmend auf Boulevard-Effekte setzenden Medienwelt verschwindet deren berechtigte Kritik jedoch sehr schnell völlig hinter Krawallbildern. Das ist das eigentlich Tragische auch der vergangenen Stunden.

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