Börsennotierte Familienunternehmen in Deutschland
Frankfurt (ots)
Bei der Hälfte aller börsennotierten Unternehmen* in Deutschland handelt es sich eigentlich um Familienunternehmen. Diese repräsentieren etwa ein Drittel der Marktkapitalisierung, sind relativ jung, wachstumsstark und in fast allen Industrien vertreten. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht stellen sie somit ein bedeutendes Phänomen am deutschen Kapitalmarkt dar. Das sind die wesentlichen Aussagen einer Studie der Stiftung Familienunternehmen, die vom Center for Enterpreneurial and Financial Studies an der TU München durchgeführt wurde.
"In der breiten Öffentlichkeit werden börsennotierte Unternehmen vorwiegend als anonyme Publikumsgesellschaften im Sinne der DAX-Unternehmen wahrgenommen. Die vorliegenden Ergebnisse widerlegen diese vorherrschende Meinung. Die Studie leistet überdies, die kritischen Merkmale zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen herauszuarbeiten und ihren Einfluss auf die Unternehmensperformance abzubilden", begründet Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, heute bei der Vorstellung in Frankfurt Ziel und Zweck der Studie. "Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen wird mit dem Blick auf die börsennotierten um eine weitere wichtige Facette bereichert."
Unternehmerfamilien sind konstituierendes Element auch nach dem Börsengang
Die Datenbasis der Erhebung sind alle Unternehmen, die im CDAX zwischen 1998 und 2008 notiert waren, ausgenommen wurden Finanzunternehmen. Legt man die wissenschaftlich anerkannte Definition von Familienunternehmen zugrunde, nach der die Familie mindestens 25% der Stimmrechte hält und damit eine Sperrminorität besitzt oder aber mindestens ein Mitglied der Gründerfamilie als Vorstand oder Aufsichtsrat tätig ist, zeigt sich, dass mehr als die Hälfte aller Unternehmen, die an der Börse notiert sind, Familienunternehmen sind.
"Dass eine Börsennotierung nicht zwangsläufig mit der Aufgabe der Unternehmensführung verknüpft ist, zeigt die Verteilung der Definitionsmerkmale 'Eigentum' und 'Beteiligung an Vorstand bzw. Aufsichtsrat'", so Studienleiterin Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner. So zeichnen sich im Jahr 2008 rund 80% der untersuchten Unternehmen dadurch aus, dass die Gründerfamilien sowohl Eigentum halten als auch im Vorstand oder Aufsichtsrat eine aktive Rolle in der Unternehmensführung wahrnehmen. Interessante Ergebnisse bietet auch die Analyse der Aktionärsstrukturen, in denen die Gründerfamilien die bedeutendste Aktionärsgruppe stellen. Durchschnittlich halten sie gut 35% der Stimmrechte an den Familienunternehmen und in mehr als der Hälfte der Fälle fungiert der Gründer des Familienunternehmens auch als Vorstandsvorsitzender. Hingegen wird bei 85% der Familienunternehmen der Aufsichtsratsvorsitzende nicht durch ein Mitglied der Gründerfamilie gestellt. Eine solche Konstellation wirke sich überdies auch stabilisierend auf den Fortbestand des Unternehmens aus, ergänzt Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender und CEO der GFT Technologies AG. Gemeinsam mit seiner Frau Maria hält er rund 38% der Aktien am Unternehmen. Die von Ulrich Dietz gegründete GFT Technologies AG mit Hauptsitz in Stuttgart ist ein international erfolgreiches IT-Unternehmen, das sich auf den Bereich Finanzdienstleistungen fokussiert hat.
Börsennotierte Familienunternehmen sind stark im Dienstleistungssektor, kleiner, jünger und wachstumsstärker
Der Anteil der Familienunternehmen an der Marktkapitalisierung schwankt zwischen 21% (2002) und 33 % im Jahr 1999. "Tendenziell sind börsennotierte Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen kleiner", so fasst Achleitner zusammen. Ein Blick auf die Branchenverteilung zeigt, dass sie vor allem im Dienstleistungsbereich besonders stark sind. Hier stellen sie rund 70% aller Unternehmen, während sie in der kapitalintensiven Bauindustrie mit 14% Anteil eher unterrepräsentiert sind. Im produzierenden Gewerbe, im Handel und im Transport sind Familienunternehmen mit einem Anteil von rund 40% relativ stark vertreten. Deutlich unterscheiden sich Familienunternehmen von Nicht-Familienunternehmen in Bezug auf ihre Kapitalstruktur: Sie sind bei weitem weniger verschuldet und weisen mit 50% eine wesentlich höhere Eigenkapitalquote auf als Nicht Familienunternehmen (36%). "Hier kommt der herausragende Einfluss der Gründerfamilie zu tragen, die auch in ihrer Finanzierung Langfristigkeit und Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren", kommentiert Hennerkes.
Die Analyse weiterer Unternehmenscharakteristika zeigt, dass Familienunternehmen bezogen auf ihre Bilanz- und Umsatzsumme deutlich kleiner sind als Nicht-Familienunternehmen und in der Folge weniger Mitarbeiter beschäftigen. So sind durchschnittlich 6.100 Personen in einem Familienunternehmen beschäftigt, während Nicht-Familienunternehmen rund 15.600 Mitarbeiter haben. Aber: Familienunternehmen weisen eine stärkere Wachstumsrate bei den Beschäftigten auf. Ihre Mitarbeiterzahl wächst um 27%, während die der Nicht-Familienunternehmen um nur 6% im Mittel wächst.
"Die Finanzierung von Wachstum war auch für GFT Technologies der entscheidende Grund für den Börsengang 1999", ergänzt Dietz, der die damit einhergehende Professionalisierung der internen Abläufe des Unternehmens schätzt: "Gerade die Öffnung für weitere Aktionäre hat uns einen Entwicklungsschub gegeben. Wir kombinieren die Vorteile des Kapitalmarkts mit denen des Familienunternehmens."
Kaum Unterschiede in der Unternehmensperformance - Neuer Markt verzerrt
Wurden zunächst die Bedeutung und die Merkmale der börsennotierten Familienunternehmen herausgearbeitet, widmet sich die Studie im Anschluss der Frage, ob es auch Unterschiede in der Performance zwischen den beiden Unternehmenstypen gibt und - in einem zweiten Schritt - ob sich der Familieneinfluss auf die Unternehmensperformance auswirkt. Prof. Achleitner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vorliegende Studie mit den Jahren 1998 bis 2008 einen Zeitraum untersucht, der durch die Sonderphase des Neuen Markts geprägt ist: "Die zahlreichen Börsengänge zwischen 1999 und 2000 haben einen erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Stichprobe und damit auf die Analyse der Unternehmensperformance, weshalb wir diese separat erhoben haben." Im Ergebnis zeigt sich, dass Familienunternehmen - die Phase des Neuen Markts ausgeklammert - keine schlechtere Performance haben als Nicht-Familienunternehmen. Im Gegenteil: Es gibt einen - wenn auch geringen - Zusammenhang zwischen dem Einfluss der Familie und den Kennzahlen der operativen Performance. Ähnliches gilt für auch für die Betrachtung der Kapitalmarktperformance. Hier haben Familienunternehmen zwischen 1988 und 2008 eine vergleichbare Rendite als Nicht-Familienunternehmen, unterliegen aber auch einer höheren Volatilität. Diese sei, so führt Achleitner nochmals aus, ebenfalls vor allem der Phase des neuen Markts geschuldet.
"Die Studie zeigt, dass Familienunternehmen eine äußerst heterogene Gruppe sind, die sich durch das konstituierende Element der Einheit von Eigentum und Kontrolle durch die Gründerfamilie auszeichnet. Sie stellen eine zentrale Quelle für Börsengänge dar. Sie sind innovativ und wachstumsstark, weshalb sie ihrerseits den Weg auf das Handelsparkett sicherlich in Zukunft wieder vermehrt suchen werden", so Hennerkes. Für die öffentliche Wahrnehmung und mit Blick auf die Gesetzgebung sei es überdies von großer Bedeutung, dass die besonderen Charakteristika und Bedürfnisse von Familienunternehmen verstanden werden, resümmiert Hennerkes und verweist auf die Vielzahl neuer gesetzlicher Regelungen zur Corporate Governance.
* unter börsennotierten Unternehmen sind alle Unternehmen des CDAX (ausgenommen Finanztitel) zu verstehen. Damit sind 95% der Marktkapitalisierung abgedeckt.
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