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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zu Japan

Regensburg (ots)

Die furchtbare Katastrophe in der Katastrophe droht. Japan wurde von einem der schlimmsten Erdbeben seiner Geschichte erschüttert und der folgende Tsunami hat womöglich Tausende Menschenleben gefordert. Die schrecklichen Bilder aus dem Land der aufgehenden Sonne machen auch uns im halbwegs von derartigen Naturkatastrophen verschonten Mitteleuropa betroffen. Um wie vieles schlimmer ergeht es den Menschen vor Ort, die Angehörige, Freunde und ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Es gibt kein fremdes Leid. Die Welle des Mitgefühls und der tätigen Hilfe für die Katastrophenopfer kann die Not nicht ungeschehen machen, zumindest aber lindern. Noch ist unklar, ob in dem von Erdbeben und Tsunami heimgesuchten japanischen Atomkraftwerk Fukushima 25 Jahre nach Tschernobyl ein noch schlimmeres Unglück zuschlägt. Der Reaktorunfall in der Ukraine war seinerzeit durch menschliches Versagen ausgelöst worden. Fukushima könnte nun zum unheildrohenden Zeichen dafür werden, dass Atomreaktoren nicht mit letzter Sicherheit vor Naturgewalten zu schützen sind. In Japan, in Deutschland, in der ganzen Welt müssen aus Fukushima Lehren gezogen werden. Der Super-GAU von Tschernobyl ist beinahe aus dem Welt-Gedächtnis gelöscht worden. In vielen Ländern sollen neue Reaktoren entstehen, Ausstiegsbeschlüsse werden gekippt oder - wie in Deutschland von der schwarz-gelben Koalition - aufgeweicht. Der weltweiten Renaissance der Kernkraft - von China, Indien, arabischen Staaten, Italien, Schweden bis in die USA - wird Fukushima hoffentlich einen Dämpfer verpassen und neues Nachdenken provozieren. Eine Technologie zur Energieerzeugung, die derartige Risiken in sich birgt, deren Sicherheit nicht zu gewährleisten ist und wo die Endlagerung des Jahrtausende strahlenden Abfalls ungeklärt ist, gehört durch nachhaltige Energien ersetzt. Und zwar weltweit und möglichst rasch. Eine Herkulesaufgabe fürwahr. Die frühere Bundesumweltministerin und heutige Kanzlerin Angela Merkel und der jetzige Reaktor-Sicherheitsminister Norbert Röttgen haben die politische Brisanz der Katastrophe auch für Deutschland erkannt. Die Sicherheit aller deutschen Atomanlagen gehört auf den Prüfstand. Und wahrscheinlich müssen die ältesten Meiler und jene, die sicherheitstechnisch nicht mehr nachgerüstet werden können, sofort abgeschaltet werden. Auch in Deutschland sind noch alte Siedewasser-Reaktoren am Netz, etwa in Brunsbüttel, die zur gleichen Kategorie wie die von Fukushima zählen. Diese Uraltanlagen weiter zu betreiben, trotz Nachrüstungen der vergangenen Jahre, grenzt schon an Verantwortungslosigkeit. Die von der Koalition ermöglichte Laufzeitverlängerung war ein Kotau vor den Profitinteressen der vier großen Energiekonzerne. Mit größerer Sicherheit hatte das Geschenk an die großen Stromer RWE, E.on, EnBW und Vattenfall nichts zu tun. Man muss Merkel, Röttgen und Co. nun beim Wort nehmen. Haben sie nur wohlfeile Ankündigungen im Wahlkampf gemacht, oder setzen sie wirklich mehr Sicherheit in deutschen Atomanlagen durch? Der rot-grün-linken Opposition in Deutschland liefert die japanische Katastrophe zudem ein Wahlkampfthema frei Haus. Auch die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung bekommen wegen ungeklärter Sicherheitsfragen in deutschen AKW Rückenwind. Nur klar ist auch, dass es einen sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft nicht geben kann. Weder in Deutschland und erst recht nicht im geschundenen Japan.

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