Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Mittelbayerische Zeitung" zum EU-Gipfel Euro
Regensburg (ots)
Mehr zahlen, mehr sparen, mehr leisten - die Botschaft Angela Merkels gestern an die Euro-Krisenländer war deutlich. Vor dem Abflug zu EU-Gipfel gab's von der Kanzlerin noch einmal Kante: Wer zahlt, schafft an. Nur wenige Stunden zuvor zeigte sich, wohin diese Strenge kann: Portugals Premier nahm entnervt seine Hut, nachdem die Opposition die dritte Spar-Maßnahme binnen zwölf Monaten, die ihm die EU und die Ratingagenturen diktierten, nicht mehr mittrug. Knapp 22 Milliarden Euro in bar, dazu 170 Milliarden Euro als Bürgschaft - so hoch ist der Anteil Deutschlands am künftigen Euro-Krisenfonds. Ein stolzer Preis für die vorläufige Rettung der Währung. Allein die schiere Summe ist Grund genug, bei den Konditionen über ihre Verwendung ein deutliches Wörtchen mitreden zu können. Allerdings, und das zeigen die Entwicklungen nicht nur in Portugal, kommt es auch auf das "wie" an. Natürlich reicht es nicht, die Schulden immer wieder mit neuen Schulden zu begleichen. Die Kanzlerin und Frankreichs Staatschef Sarkozy haben das völlig richtig erkannt. Das größte Defizit von Portugal, Spanien und Griechenland ist nicht ihre Schuldenquote sondern ihre Wettbewerbsfähigkeit. Wird die nicht gestärkt, werden diese Länder unter ihren Belastungen zusammenbrechen. Da hat auch der heftig debattierte Schuldenschnitt nur aufschiebende Wirkung. Solange sämtliche Bemühungen um stabile Staatsfinanzen nicht auf die Bedürfnisse der Nehmerländer eingehen, sind sie zum Scheitern verurteilt. Es besteht die Gefahr, dass die Regierungen von Athen bis Lissabon auf Druck der Retter ihre Länder kaputt sparen. Die Folgen sind Vertrauensverlust, Proteste und Zulauf für die europa-kritischen Oppositionsparteien, die gegen das "Fremddiktat" wettern, ohne jedoch eine realistische Alternative parat zu haben. Dabei wollen weder Bundesregierung noch EU-Kommission dem portugiesischen Rentner an den Geldbeutel noch dem griechischen Arbeiter vorschreiben, wann er in Rente zu gehen hat. Sie lenken lediglich die Aufmerksamkeit auf die strukturellen Defizite, die die Genesung der Staatsfinanzen verhindern. Die wiederum sind die Voraussetzung zur Einführung der einzig denkbaren Institution, die eine Zusammenführung der diametral entgegengesetzten Interessen in Europa herbeiführen könnte - eine neutrale Wirtschaftsregierung nach Vorbild des Internationalen Währungsfonds IWF. Dort könnten der Ausgabenlust der Länder Grenzen gesetzt, frühzeitige Sanktionen bei Zuwiderhandlung eingeleitet, finanzielle Hilfen koordiniert - kurz das Vertrauen in die Politik wiederhergestellt - werden. Klar ist, dass Problemstaaten für ihr jahrelanges Leben über den Verhältnissen einen politischen Preis bezahlen müssen. Die latent nervösen Finanzinvestoren verstärken den Druck. Wird dieser jedoch zu hoch, droht nicht nur die Euro-Reform zu scheitern, sondern der Euro und damit Europa selbst. Um dieses Debakel zu verhindern, werden die reichen Länder Europas noch lange den Kopf hinhalten müssen, um den schwachen eine Bereinigung ihrer Haushalte zu ermöglichen. Welch enorme Anstrengungen dazu nötig sind, zeigen die vorläufigen Rettungskosten für den Euro, die seit dem Wochenende auf dem Tisch liegen. Für einen 700 Milliarden Euro großen Rettungsfonds steht zumindest die Zwischenfinanzierung - wer am Ende die Zeche bezahlt, ist offen. Es werden wohl nicht nur die sein, die gespeist haben.
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