Mittelbayerische Zeitung: Geschundene Seelen Kommentar zum Bericht der Missbrauchsbeauftragten
Regensburg (ots)
Odenwaldschule, Canisiuskolleg, Internate, Spezialkinderheime, Jugendwerkhöfe, Sportvereine - und vor allem die eigenen Familien: Die Orte, an denen Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht, erniedrigt, gedemütigt und nicht selten für ihr ganzes weiteres Leben geschädigt wurden, ist lang. Besonders schlimm ist, dass ausgerechnet dort Körper und Seelen geschunden wurden, wo sie eigentlich behütet werden sollten. Jahrzehntelang fand Kindesmissbrauch in Deutschland in einer von Tabus gespickten Grauzone statt. Nur hier und da kamen einige Fälle ans Licht der Öffentlichkeit und wurden strafrechtlich verfolgt. Vor allem dann, wenn Opfer den Mut fanden zu reden, wenn sie gegen die Wand aus Nichtglauben, Nicht-wissen-wollen und Wegsehen antraten. Es ist ein Verdienst der Regierungsbeauftragten, dem schlimmen Thema Kindesmissbrauch eine breite Öffentlichkeit verschafft und politische Anstöße gegeben zu haben. Christine Bergmann war und ist in rührender und hartnäckiger Weise Anwältin, Ohr und Stimme von Missbrauchsopfern. Sie hat mit dafür gesorgt, dass ein Tabuthema aus der dunklen Ecke herausgeholt wird ans Licht. Aber nun kommt es sehr darauf an, dass Regierung und Parlament die Empfehlungen der Missbrauchsbeauftragten, also die Nöte der Opfer, auch ernst nehmen. Ihr Bericht darf nicht zum Feigenblatt für geschwätziges Nichtstun verkommen.
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