Mittelbayerische Zeitung: Zur Griechenland-Rettung: Ein Schuldenerlass für Athen ist unausweichlich. Doch das Land muss dafür einen politischen Preis zahlen.
Regensburg (ots)
Langsam wird aus der Euro-Rettung ein albtraumhaftes Déjà vu: Wieder ein Krisengipfel in Brüssel, wieder ein Rettungsschirm für Griechenland, wieder halbherzige Beschwörungsformeln von Politikern, dass die Gemeinschaftswährung nicht zugrundegehen darf. Genau dasselbe haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren in schöner Regelmäßigkeit erlebt. Und das gestrige Treffen in der EU-Hauptstadt wird nicht das Letzte gewesen sein. Die europäischen Staatenlenker haben sich nämlich wieder einmal nur eine Atempause erkauft. Vor allem das deutsch-französische Tandem, das einst als Motor Europas fungierte, bremste sich erneut gegenseitig. Eigentlich müsste man über die britische Zeitung "Guardian" schmunzeln, die sich jetzt mit einem "Euro-Crisis-Song" über unsere Gemeinschaftswährung lustig machte. Denn auch das Pfund hat die Engländer nicht vor der Finanzkrise beschützt - ganz im Gegenteil. Die Regierung in London setzt derzeit ein radikales Kürzungsprogramm durch, vor dem die Sparbemühungen in Athen wie eine schwindsüchtige Eule wirken. Doch das Lachen vergeht einem, weil es einen wesentlichen Unterschied gibt: Die britische Wirtschaft baut auf Substanz auf, die griechische Wirtschaft auf Ruinen. Egal, wie viele Hilfspakete man noch schnürt: Sie zögern nur den Bankrott hinaus. Auch wenn die Hellenen den Gürtel enger schnallen, auch wenn sie ihre Staatsunternehmen verkaufen (von denen man nicht weiß, ob sie überhaupt jemand haben will) - nach dem X-ten Krisentreffen muss es selbst dem wohlmeinendsten Freund von Alexis Sorbas & Co. dämmern, dass das Land niemals aus eigener Kraft aus seinen horrenden Schulden rauskommen wird. Leider hat sich unsere Bundeskanzlerin, die den klammen Griechen die mit Abstand dicksten Schecks in Aussicht stellte, bis gestern um diese bittere Wahrheit herumgedrückt. Anstatt klar die Marschrichtung vorzugeben, vollzieht Angela Merkel einen Eiertanz, der die europäischen Partner verärgert, die Spekulanten zum Zocken gegen den Euro einlädt, die Bevölkerung um ihr Geld zittern lässt und den Verdruss über die EU salonfähig macht. Erst schließt die Kanzlerin direkte Hilfen für Griechenland kategorisch aus, dann stimmt sie auf einmal doch dafür. Erst bekennt sie sich zum vereinten Europa, dann schimpft sie über die angeblich so faulen Beschäftigten in den Mittelmeerländern. Erst bezeichnet sie den neuerlichen Rettungsgipfel als überflüssig, dann beschwört sie einen Durchbruch, den das Treffen erzielen müsse. Dass vorher auch noch Nicolas Sarkozy ins Kanzleramt kommen muss, um überhaupt so etwas wie eine gemeinsame Strategie hinzubekommen, zeigt außerdem, wie weit sich Berlin und Paris inzwischen voneinander entfernt haben. Und das ausgerechnet in der europäischen Frage, die einst das stärkste Band zwischen beiden Partnern war. Doch es steht zu viel auf dem Spiel: Merkel und Sarkozy dürfen nicht länger mit innenpolitisch motivierten Tanzschritten das gesamte europäische Parkett ruinieren, sonst geht die EU zugrunde - erst wirtschaftlich, dann politisch. Deshalb wäre es richtig, dass sich Deutschland und Frankreich endlich zu einem Ende mit Schrecken durchringen, sonst wird der griechische Albtraum zum ständigen Begleiter. Ein teilweiser Schuldenerlass für Athen ist unausweichlich, denn aus eigener Kraft kommt das Land auf keinen grünen Zweig. Doch dieses Geschenk, für das vor allem Deutschland geradestehen wird, muss einen politischen Preis haben: Den Ausschluss Griechenlands aus dem Euroraum. Für die Griechen wäre das sogar eine Chance, denn sie könnten die Drachme wieder einführen, die Währung abwerten und dadurch der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen. Und für andere Wackelkandidaten wie Portugal, Irland, Spanien und vielleicht auch Italien wäre der Rauswurf Athens eine Warnung, damit sie demnächst nicht selbst laut nach einem Schuldenschnitt rufen. Denn in diesem Fall würde die EU zur Gemeinschaft mit unbeschränkter Haftung - durch den deutschen Steuerzahler.
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