Mittelbayerische Zeitung: Gefährliches Dominospiel
Regensburg (ots)
Aber wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe, reimte einst Wilhelm Busch für die kecken Buben Max und Moritz. Mindestens ebenso keck geben sich jetzt die Herren Philipp Rösler und Horst Seehofer. Die Parteichefs von FDP und CSU malen das Szenario der Staatspleite Griechenlands an die Wand. Ein ungewohnter Gleichklang von zwei Parteien, die, siehe die bayerische Staatsregierung, sonst ganz und gar nicht ein Herz und eine Seele sind. Im Ministerium von Bundeskassenwart Wolfgang Schäuble wird schon einmal durchgerechnet, welche Folgen die Zahlungsunfähigkeit Athens haben könnte. Und die Börsen schmieren erneut ab. Und vor allem französische Banken, die besonders viele griechische Staatsanleihen in den Depots haben, gehen gleichfalls auf Talfahrt. Auch deutsche Geldhäuser sind vom Abwärtssog betroffen, obwohl die gar nicht mehr so viele Anleihen aus Hellas besitzen. Unsicherheit wohin man schaut. Eigentlich gilt in solchen Situationen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Dass zwei Spitzenleute der deutschen Politik jedoch forsch über eine griechische Insolvenz schwadronieren und die CSU dies sogar in einem Gremienbeschluss niederlegt, ist nicht nur unbedacht, sondern tut einer Lösung der schmerzlichen Griechenland- und Euro-Krise gar nicht gut. Dabei geht es gar nicht darum, dass Rösler und Seehofer das bislang Undenkbare aussprechen. Vor dem Gedanken einer Staatsinsolvenz Griechenlands scheute die offizielle Politik lange zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser. Doch die Crux ist, dass CSU- und FDP-Chef unterstellen, eine Pleite Athens würde das Problem lösen. Zumindest würden nach dieser Logik deutsche Hilfen nicht mehr in ein Fass ohne Boden überwiesen. Doch das ist viel zu schlicht gedacht. Erstens sollte klar sein, dass zuerst Griechenland seine Hausaufgaben machen muss. Athen muss ein funktionierendes Steuersystem aufbauen und Korruption und Filz beseitigen. Doch niemand vermag vorherzusagen, ob und wie sich eine Insolvenz Griechenlands auf den Euro-Raum auswirken würde. Es könnte zu einer Art Dominoeffekt kommen, mit dem auch andere Haushaltssünder wie Spanien oder Italien kippen. Zweitens sind die Auswirkungen auf den griechischen Staat bestenfalls in Umrissen vorhersehbar. Die griechische Wirtschaft, die bereits jetzt unter dem europäischen Spardiktat ächzt und dramatisch schrumpft, käme bei einem Zusammenbruch der Staatsfinanzen erst recht nicht auf einen grünen Zweig. Auch Griechenlands Bürger, die auf Rentenzahlungen, öffentlichen Dienst usw. angewiesen sind, wären ebenfalls Opfer der Staatspleite. Athen könnte nur noch ausgeben, was es tatsächlich einnimmt. Es würde noch weit größere soziale Unruhen und politische Eruptionen geben als bisher schon. Und drittens hätte eine griechische Pleite ebenfalls verheerende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Im Moment verdient Deutschland noch daran. Die Hilfen aus Berlin müssten vermutlich abgeschrieben werden. Der deutsche Staat müsste, zumindest indirekt, für Verluste von Banken aus dem Griechenland-Geschäft einstehen. Ganz davon abgesehen, dass die EZB-Ankäufe von Staatsanleihen aus dem Süden wie ein Damoklesschwert über den Steuerzahlern hängen. Der Absatzmarkt Hellas fiele für die deutsche Exportwirtschaft ebenfalls aus. Kurzum: Die mit einer griechischen Insolvenz verbundenen Risiken scheinen die Chancen bei weitem zu überwuchern. Doch an einer zumindest teilweisen Entschuldung Athens scheint kein Weg vorbeizugehen. Auf die Krawall-Töne von Rösler und Seehofer hätte man dagegen getrost verzichten können.
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