Mittelbayerische Zeitung: Zum Literaturnobelpreis
Entscheidung gegen den Strom
Regensburg (ots)
Jedes Jahr vor und auch nach der Bekanntgabe des Literaturnobelpreises kommt es zu Diskussionen: Dieses Jahr muss es ein Amerikaner sein, hätte es ein Afrikaner sein müssen, ein Mongole, eine Frau... Wer Literatur liebt, dem sind solche Proporzgedanken ein Gräuel. Die Frankfurter Buchmesse führt vor Augen, welche Masse an Büchern auf der Welt geschrieben wird. Auch wenn Belletristik und Poesie nur ein Teil davon sind, und Bücher von hoher literarischer Qualität und einer Bedeutung, die sich nicht im Lauf eines Jahres erschöpft, ein verschwindend geringer, so wird doch deutlich, wie unmöglich es ist, den Besten der Besten mit dem wichtigsten Literaturpreis der Welt zu küren. Von der Nobelpreis-Jury wird der Mut erwartet, sich nicht nach Massengeschmack oder Proporzgedanken zu richten. Schon allein der Beschluss, einen Lyriker auszuzeichnen, ist eine Entscheidung gegen den Strom. Der Nobelpreis für Tomas Tranströmer ist nachvollziehbar. Die Jury würdigt einen hervorragenden Vertreter der knappen literarischen Form, einen Dichter, den in Schweden jedes Kind kennt. Für einen Poeten ist er ein Bestseller! In anderen Ländern ist er dagegen wohl nur ausgesprochenen Lyrikfans vertraut. Reich-Ranickis Gebrummel, er kenne Tranströmer nicht, spricht gegen den Literaturpapst und nicht gegen den Auserwählten. Dessen literarische Qualität ist unumstritten. Wenn die meisten von uns ihn nun erst kennenlernen, ist dies in erster Linie der Nische Lyrik geschuldet. Dass das Nobelpreis-Komitee das Augenmerk der Leser nun erneut auf diese literarische Gattung lenkt, ist wichtig und überfällig. Hier gibt es viel zu entdecken. Und im Fall von Tranströmer einen, der laut Komitee "neue Wege zum Wirklichen weist".
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