Mittelbayerische Zeitung: Kommentar: Eine neue Dimension des Rechtsterrors
Regensburg (ots)
Guten Morgen, Herr Bundesinnenminister! Auch schon aufgewacht! Gemächlich, aber immerhin, kommt der deutsche Sicherheitsapparat im Kampf gegen den Rechtsterrorismus aus den Federn. Das zeigt sich im Plan von Hans-Peter Friedrich, möglichen Neonazi-Attentätern durch den Aufbau einer Datensammlung auf die Spur zu kommen. Und es wird deutlich durch die spektakuläre Festnahme des früheren NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben - der erste wirkliche Fahndungserfolg, seit das Zwickauer Terror-Trio durch puren Zufall aufflog. Es ist höchste Zeit, dass der Staat genauso entschlossen gegen die Gefahren der rechten Zellen vorgeht, wie er das schon lange bei der Überwachung von Islamisten oder Linksradikaler tut. Bevor die Braune-Armee-Fraktion aufflog, leugnete der Bundesverfassungsschutz schlichtweg die Existenz neonazistischer Terrorgruppen und spielte Gefahren herunter. Sei es aus Unwissenheit - dann müssten sich die Verfassungsschützer fragen lassen, wofür sie überhaupt bezahlt werden. Sei es, weil sie von ihren V-Leuten - meist selbst aus der rechten Szene - bewusst in die Irre geführt werden. Dann müsste man diese Art der Informationsbeschaffung, an der bereits der erste Anlauf für ein NPD-Verbot scheiterte, sofort abstellen. Mit seinem Plan für eine zentrale Neonazi-Kartei kommt Friedrich endlich aus der Deckung. Das einzig Erstaunliche daran ist, dass es ein derartiges Instrument nicht schon längst gibt, wenn man auf die Datensammelwut des Staates in anderen Bereichen blickt. Hoffentlich wird der Vorstoß des Innenministers in seinem Kleinkrieg mit der Bundesjustizministerin nicht sofort wieder zerredet. Denn eine derartige Datei kann durchaus hilfreich sein, um Gefährdern auf die Spur zu kommen. Doch weitere energische Schritte müssen folgen. Es darf nicht länger sein, dass Dutzende verschiedene Länder- und Bundesbehörden den Staat vor Gefahren schützen sollen, die aber nur unzureichend oder überhaupt nicht miteinander kommunizieren. Theoretisch wäre denkbar, dass ein Verdächtiger von mehreren unterschiedlichen Stellen überwacht wird, ohne dass die beteiligten Fahnder voneinander wissen. Welch absurde Konstruktion. Der Apparat muss reformiert und dabei viel enger koordiniert werden, sonst lachen sich die Neonazis weiter ins Fäustchen. Mit der Festnahme des Rechtsextremisten Wohlleben ist den Behörden ein Coup gelungen. Zum einen, weil mit ihm ein mutmaßlicher Kopf des Terror-Trios gefasst wurde. Zum anderen, weil damit auch die NPD ins Visier der Ermittlungen gerät. Damit erhält der Rechtsterrorismus eine neue Dimension. Denn der Fahndungserfolg wird die Debatte um ein Verbot der Partei weiter befeuern. Auch das wäre ein Erfolg.
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