Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur SPD
Regensburg (ots)
Er kann es", hat Altkanzler Helmut Schmidt über Peer Steinbrück gesagt. Richtig. Auch Frank-Walter Steinmeier kann es. Und Sigmar Gabriel. Die lange von Sorgen geplagte SPD hat offenbar nur noch ein Luxusproblem: Sie hat gleich drei Kandidaten, die Kanzler könnten und wollten. Fragt sich nur noch, was die restlichen Genossen wollen - und wen. Freilich sieht es ganz gut aus für die Sozialdemokraten. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren eine Wiedergeburt. Nach dem tiefen Sturz bei der Bundestagswahl 2009 konnten sie seit dem Sieg bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2010 bei allen sieben Wahlen 2011 in die Landesregierungen einziehen. In fünf davon - Hamburg, Rheinland-Pfalz, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin - stellen sie heute den Regierungschef. Die Partei dankte das ihrem Vorsitzenden mit einem Wahlergebnis von fast 92 Prozent. Die parteiinterne Konkurrenz von Steinmeier und Steinbrück kann Gabriel nach diesem Parteitag erst einmal egal sein. Zwar war sein Auftritt nach dem von Helmut Schmidt nur der zweitbeste; aber er lieferte dabei die beste von allen drei Bewerbungen um den Posten des Kanzlerkandidaten ab. Zwar heißt es offiziell, man wolle erst Ende 2012 oder Anfang 2013 die K-Frage klären. Aber dass das Schaulaufen auf dem Parteitag begonnen hat, ist jedem klar. Es kann der Partei am Ende nur recht sein. Konkurrenz belebt das Geschäft und macht interessant. Das Problem aber ist, dass die SPD sich in Berlin auf einen Mitte-Links-Kurs festgelegt hat, den nicht jeder der drei potenziellen Kandidaten glaubhaft vertreten kann. Steinmeier und Steinbrück stehen für die Agenda 2010, die die Partei bis heute tief gespalten hat. Auch Gabriel war nicht immer ein Favorit der Parteilinken, wenngleich sein Wahlergebnis leicht darüber hinwegtäuschen kann. Aber unter Gabriels Führung ist Ruhe eingekehrt in die Partei. Zumindest derzeit. Die Beschlüsse des Parteitags helfen dabei, weil sie einen pragmatischen, von allen Lagern in der SPD tragbaren Kurs darstellen. Zwar ist der linke Flügel mit vielen Forderungen gescheitert. Aber es gibt einige Zugeständnisse, die die linken Genossen zufriedenstellen dürften. Und auch die Gretchenfrage der Partei - Wie hältst du's mit den Bürgerlichen? - ist vorerst geklärt. Für Gabriel kommt nur eine rot-grüne Regierungskoalition infrage. Vom heutigen Standpunkt aus ist das aufgrund der Umfragen nachvollziehbar. Aber wie lange bleibt das so? Den Grünen schwimmen die Felle davon. Ihre Kernthemen sind Allgemeingut geworden, der grüne Höhenflug dieses Jahres ist bereits Geschichte - und es sind immer noch fast zwei Jahre bis zur Wahl. Und dann ist da noch die Tatsache, dass nicht einmal die Fliehkraft einer immer schneller wirbelnden Schuldenkrise und der Zerfallsprozess der FDP es geschafft haben, Angela Merkel aus dem Stuhl zu heben, geschweige denn, ihn wackeln zu lassen. Über der SPD schwebt trotz aller zur Schau gestellten Harmonie das Damoklesschwert einer Personaldebatte - und die wird schnell zur Kursdebatte. Das hat die SPD mehrfach erlebt, zuletzt im Vorfeld des letzten Bundestagswahlkampfes. Damals ging die K-Frage zwischen dem damaligen Parteichef Kurt Beck und Steinmeier zugunsten des damaligen Außenministers aus - und die Partei stritt über den Umgang mit der Linkspartei. Eine vor Zuversicht strotzende SPD ist wichtig für die Parteienlandschaft in Deutschland. Aber vor ihr liegt noch viel Arbeit, bei der ihr vor allem eine im Weg stehen könnte: sie selbst.
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