Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum zehnjährigen Jubiläum des Euro:
Regensburg (ots)
Schicksalsgemeinschaft
Der Euro ist mehr als die bequeme Art, in anderen Euroländern zu zahlen - er ist ein gemeinsames Bekenntnis.
Ein sehr idyllisches Bild haben sich Bürger und Einwohner da als Motiv für die Geburtstagsmünze des Euro ausgesucht - surreal. Etwa 35 000 Menschen aus der Eurozone haben im Internet aus fünf Motiven wählen dürfen. 34 Prozent entschieden sich für Friede, Freude, Eierkuchen: Neben der vertrauten Rückseite mit der Europakarte zeigt das winzige Münzbild einen Erdball auf dem das Eurozeichen prangt. Rundherum sind Symbole aufgereiht: vier Menschen mit hochgerissenen Armen sollen laut Beschreibung eine vierköpfige Familie darstellen, großzügige Wohnhäuser inmitten von Bäumen. Ein dickes Schiff symbolisiert den Handel. Das Gebäude der Europäischen Zentralbank steht für die Finanzwelt und eine Fabrik mit rauchenden Schloten für die Industrie. Windräder sollen den Fortschritt zeigen. Das Motiv stehe für den Weg des Euro, der in den vergangenen zehn Jahren zu einem globalen Akteur geworden sei und für die Bedeutung der Gemeinschaftswährung im Alltag, schreibt die Europäische Zentralbank auf ihrer Webseite zur Erklärung. Doch lassen wir uns da die Welt nicht etwas zu rosig malen? Intakte Familien gibt es laut Statistiken kaum noch. Wohnen im Grünen können sich in den meisten Städten nur noch die Gutverdiener leisten, die mit Arbeit oder reichen Erben. Erneuerbare Energie wie etwa Fotovoltaikanlagen auf belgischen Dächern werden laut neuer Haushaltssparpläne nicht mehr vom Staat gefördert. Fabriken fahren ihre Aufträge zurück, da sie der Wirtschaftslage und der Kreditflüssigkeit der Banken nicht trauen. Diese wiederum verharren in einer Art Schockstarre, bringen ihre Schäfchen ins Trockene. Globaler Akteur, ja. Der Gesundheitszustand des Euro beeinflusst die Wirtschaftsmächte auf der ganzen Welt. Geht es ihm und seinen Ländern gut, ist er die Währung einer florierenden Wirtschaft mit Arbeitsplätzen und grenzüberschreitender Gemeinsamkeit. Geht es ihm schlecht, ist es ein Zeichen, dass wir uns gemeinsam anstrengen müssen. Er ist das Verantwortungsbarometer Europas. Das Münzbild stellt weniger den Status quo nach den zehn Anfangsjahren als vielmehr einen Wunschtraum dar, den wir auf keinen Fall aus den Augen verlieren sollten. Das Szenario ist unser Ziel für die kommenden zehn Jahre. Zufriedene Menschen, die Arbeit finden und nicht frustriert ihre Familien verlassen. Arbeitnehmer sollen für ihre Lebenszeit, die sie für die Arbeit opfern, fair entlohnt werden. Damit der Euro keine Mangelware ist. Kinder- und Altersarmut darf nicht normal bleiben in Europa. Unsere Währung ist mehr als die bequeme Art, in anderen Euroländern zu zahlen. Sie ist das Bekenntnis, unser Schicksal gemeinsam in die Hand zu nehmen. Wenn schon viele keine Zukunft in ihren ursprünglichen Heimatländern haben, brauchen wir eine neue emotionale Heimat. Mit dem gleichen Geld fängt es an, und es mündet in dem Gefühl, sich in Europa geborgen zu fühlen. Der Euro ist aus dem Grundschulalter heraus. Jetzt ist es Zeit, schwierigere Lektionen zu lernen. In den kommenden zehn Jahren werden unsere Regierungen endlich Verantwortung im Projekt Euro und Europa übernehmen müssen.
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