Mittelbayerische Zeitung: Macher ohne Macht Das Beispiel der dänischen Ratspräsidentschaft zeigt, wo es in der EU hakt. Leitartikel von Patricia Dudeck
Regensburg (ots)
Die Europäische Union ist ein überholtes, steifes Konstrukt aus Zahnrädern. Es dreht sich zu langsam oder kommt in den entscheidenden Momenten zum Stehen, weil einige Zähne ins Leere greifen. Die Zähne am Rad der Ratspräsidentschaft zum Beispiel. Die Abfolge der sich abwechselnden EU-Länder ist bis Sommer 2020 festgelegt. Dadurch hat der Rat nun schon zum zweiten Mal einen Mitgliedstaat auf dem Vorsitz, der in Anbetracht der alleinbestimmenden Eurokrise fehl am Platz ist. Wie der Vorgänger Polen gehört auch Dänemark nicht zum Euroklub, hat also bei dessen Verhandlungen nichts zu sagen. Bei den Treffen der Eurogruppe werden die Dänen im besten Fall geduldet. Schon vor ihrer Präsidentschaft hat Sarkozy der Dänin ohne Umschweife vorgehalten, ihr Land sei klein und außen vor. Daher werde er auf sie auch nicht hören. Als Vermittler zwischen Euroländern und anderen Außenseitern wirkt Dänemark, wie wir es bisher kennen, unglaubwürdig. Zeigten sich die Dänen doch bisher nicht sonderlich solidarisch gegenüber der EU: Aus den wesentlichen Integrationsmechanismen hat es sich ausklammern lassen. An der EU-Politik zu Sicherheit, Justiz und Inneres beteiligt es sich seit jeher nicht. Der Europakt liegt nicht auf Helle Thorning-Schmidts Tisch sondern auf dem des ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Offiziell ist noch nicht mal klar ob sich Dänemark dem Pakt anschließen wird. Doch eigentlich wissen alle, dass sie als Ratspräsidenten gar keine andere Wahl haben. Damit mit dem dänischen Beitritt zum Europakt keine Volksabstimmung im Land der Euroskeptiker fällig wird, versicherte Van Rompuy die Souveränitätsrechte der Dänen nicht anzurühren. Der gute Wille von Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt in allen Ehren. Doch verblassen die meisten ihrer glänzenden Ziele für dieses Halbjahr damit im Feuerschein der Eurokrise. Das hat sie selbst schon eingesehen. Diesen Freitag möchte sie ihre Tagesordnung im Detail in Kopenhagen vorstellen: mehr Verantwortung der Staaten, Dynamik im Binnenmarkt, Umweltschutz und Sicherheit in Europa. Es bleiben denkbar schlechte Voraussetzungen für erfolgreiche sechs Monate dänischer Ratspräsidentschaft. Dem Halbjahr, in dem vor allen Dingen die Rettungsinstrumente der europäischen Gemeinschaftswährung entwickelt werden sollen. Lösungen, die alle 27 Mitgliedstaaten mittragen können. Den EU-Präsidenten fehlt es an Durchsetzungskraft: der wechselnden Ratspräsidentschaft, Van Rompuy genauso wie Barroso. Das Führungssystem der EU ist ein Witz und der Schaden daraus nicht mehr zu verleugnen: Über alle Maßen verschuldete Staatshaushalte, Mitgliedstaaten, die sich gegenseitig nicht ans Bein pinkeln möchten. Unzählige Vertragsverletzungsverfahren laufen, weil die Mitgliedstaaten machen, was sie wollen. Die Staats- und Regierungschefs zeigen doch immer wieder durch Worte und Nicht-Taten, dass sie das System, dem sie sich selbst verpflichtet haben, nicht ernst nehmen. Genauso, wie die nationalen krisenuntauglichen Regierungen, die im vergangenen Jahr ausschieden, muss die Mechanik der EU ersetzt werden durch neue zielgerichtete Mechanismen, die der Lage angemessen sind. Das von den EU-Bürgern gewählte Europaparlament muss endlich eine unausweichliche Instanz werden. Bisher kann es bei der Gesetzgebung einfach ausgeblendet werden. Und statt mehrerer wirkungsloser Präsidenten brauchen wir einen, der diesem Titel gerecht wird. Statt Statisten für den schönen Schein braucht Europa Macher mit Macht. Und die sollten vom Volk gewählt werden.
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