Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Bund-Länder-Kommission/Neonazis von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Die Frage, wieso ein Neonazi-Trio mit mehreren Helfern fast zehn Jahre lang mordend und raubend durch Deutschland ziehen konnte, ist nach wie vor ungeklärt. Doch zumindest hat die Politik nun reagiert. Auf allen Ebenen. Es gibt Untersuchungsausschüsse von Bundestag und Thüringer Landtag, einen Sonderermittler des Bundes, seit gestern nun auch eine vierköpfige Bund-Länder-Kommission. Und nicht zu vergessen arbeiten fast 400 Sicherheitsleute von Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Länderpolizei an der Aufklärung der Morde. Wahrscheinlich hätte ein Bruchteil dieses jetzt an den Tag gelegten Aufwands vor Jahren genügt, um der Mordspur des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) früher Einhalt zu gebieten. Nun muss endlich konsequent und schonungslos ausgewertet, aufgeklärt, analysiert und es müssen Konsequenzen gezogen werden. Das ist eine Kärrnerarbeit. Sie darf nicht in politischem Gezänk und gegenseitigen Schuldzuweisungen enden. Dazu ist das Thema viel zu ernst. Es sollte auch aus den anstehenden Wahlkämpfen herausgehalten werden. Und weil so viele unterschiedliche Gremien, Akteure und Ebenen beteiligt sind, muss deren Vorgehen ebenfalls gut abgestimmt werden. Der Erfolg hängt entscheidend von der Bereitschaft der jeweiligen Sicherheitsbehörden zur Zusammenarbeit ab. Die Aufklärung darf sich nicht im Kompetenzwirrwarr verheddern. Streit um die Herausgabe von Akten und verschlossene Münder von seinerzeit Verantwortlichen können die Aufklärer schnell ins Leere laufen lassen. Doch das wäre fatal. Denn dann würde sich der demokratische Rechtsstaat als unfähig erweisen, den rechtsextremen Terror wirksam zu bekämpfen. Die Mörder könnten noch im Nachhinein triumphieren. Und ihre Opfer würden noch nach ihrem Tod gedemütigt. Die gestern vom Kabinett berufene Bund-Länder-Kommission ist im Gegensatz zu einem Untersuchungsausschuss, der etwa Zeugen vernehmen kann, auf die freiwillige Zusammenarbeit mit den beteiligten Behörden angewiesen. Doch gerade dieses schlanke Gremium kann wichtige Hinweise geben, wie Polizei und Sicherheitsdienste besser und wirksamer aufgestellt werden müssen. Auf den Tisch der Aufklärer gehört allerdings auch, dass die Politik seinerzeit die rechtsextremistische Gefahr sträflich unterschätzt hat. Man hatte nach dem 11. September 2001 vor allem islamistischen Terror im Auge. Warnungen vor der latenten Gefahr durch gewalttätige Neonazis wurden dagegen in den Wind geschlagen. Das heißt nicht, dass - wie es so schön plakativ heißt - die Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind gewesen sind. Sie waren mit anderem befasst. Auch das darf sich nicht wiederholen. Eine andere Frage ist, ob sich aus den Erkenntnissen der Aufklärer Material für ein NPD-Verbot herausfiltern lässt. Zumindest schälte sich bereits jetzt heraus, dass das Instrument der V-Leute ein ziemlich stumpfes Schwert gegen politische Extremisten ist. Weder bei den Rechten, noch bei den Linken. Statt wichtige Erkenntnisse aus dem Innenleben der NPD zu liefern, haben die Zuträger des Verfassungsschutzes die Staatsgelder eher zum Aufbau der Organisation genutzt. Man könnte die V-Leute wahrscheinlich ohne größere Informationsverluste "abschalten". Dann hätte ein erneuter Verbotsantrag in Karlsruhe vermutlich größere Chancen auf Erfolg. Freilich wäre mit einem NPD-Verbot das Problem des Rechtsextremismus in Deutschland nicht vom Tisch.
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