Alle Storys
Folgen
Keine Story von Mittelbayerische Zeitung mehr verpassen.

Mittelbayerische Zeitung

Mittelbayerische Zeitung: Hellas und der Tag X

Regensburg (ots)

Von Reinhard Zweigler

Weil der 16-Jährige Otto von Bayern vor der Besteigung des griechischen Throns 1832 noch nicht mündig war, handelte sein Vater Ludwig I. eine Anleihe von 60 Millionen Franc für das junge Königreich aus. Bereits damals war das moderne Griechenland vom Wohlwollen und der Hilfe der europäischen Gemeinschaft abhängig. Doch Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht. Eine Gesundung des arg gebeutelten Hellas ist heute nicht nur eine Frage von vielen Euro-Milliarden, sondern auch von Jahren und Jahrzehnten. Eine Herkulesaufgabe fürwahr. Und ob sie gelingt, ist völlig offen. Zumindest haben die griechische Übergangsregierung und das griechische Parlament zunächst einmal die Weichen für weitere Finanzhilfen der EU gestellt. Genauer, dass bis weit über die Halskrause verschuldete Land wird mit neuen Krediten von 130 Milliarden Euro weiter über Wasser gehalten, eine drohende Staatspleite kann wahrscheinlich mit diesen Geldern der anderen Euro-Länder verhindert werden. Vorerst wird Zeit erkauft. Wieder einmal. Nicht mehr und nicht weniger. Dabei müssen sich die an der Griechenland-Rettung Beteiligten vorkommen wie der sagenhafte Sisyphos. Kaum hatte der den Stein auf den Berg gewuchtet, rollte der wieder nach unten. Seit fast zwei Jahren wird Athen immer wieder "gerettet". Was vor einem Jahr noch undenkbar schien, etwa ein Schuldenschnitt von privaten Gläubigern, Banken, Hedgefonds usw., ist jetzt bald greifbare Realität. Angela Merkel meinte zu Beginn der Krise, es werde kein deutscher Euro nach Athen überwiesen. Das alles ist längst überholt. Und die Kanzlerin gibt die unverwüstliche Berufsoptimistin. Beinahe beschwörend klingt ihr Appell, sie werde sich nicht daran beteiligen, Griechenland aus dem Euro zu drängen. Dabei sitzen die Zweifler direkt neben ihr am Kabinettstisch und in der Union. Vize-Kanzler Philipp Rösler, inzwischen zum Chef einer Drei-Prozent-Partei geschrumpft, schwadroniert schon lange vom "Tag X", einer Staatspleite und dem Ausschluss aus der Euro-Zone. Bayerns Haudrauf-Finanzminister Markus Söder schlägt in dieselbe Kerbe. Und CSU-Chef Horst Seehofer kommt nun sogar mit der Schnapsidee einer Volksabstimmung über die Griechenland-Hilfe. Was aus parteitaktischen Gründen vielleicht noch verständlich wäre, tut der Sache einen Bärendienst. Das zweijährige Hinhalten, Zögern und Streiten hat die Malaise nicht einfacher gemacht. Im Gegenteil. In der EU herrscht hektische, teure Hilflosigkeit in Sachen Griechenland. Die Frage, die heute zu beantworten ist, lautet doch nicht, ob Griechenland noch im Euro-Raum gehalten werden kann, sondern zu welchem Preis. Und ob die Folgekosten eines wie immer gearteten Ausstiegs aus der Gemeinschaftswährung nicht viel höher sind. Dabei geht es um brisante politische, ökonomische, soziale, kulturelle Fragen. Die stolzen Griechen werden durch ein Diktat der Troika aus EU, IWF und EZB geknebelt. Sie müssen sich tiefe Einschnitte in ihr soziales Netz, in parlamentarische und verfassungsmäßige Rechte gefallen lassen, damit die Geldgeber das Land nicht in eine ungeordnete Staatspleite taumeln lassen. Dagegen allerdings wären die jetzigen Unruhen wahrscheinlich nur ein lauer Vorbote. Schon jetzt erodiert das bisherige politische - und zumeist korrupte - politische System. Doch ein von sozialen Unruhen und politischem Chaos bestimmtes Hellas wäre für die Euro-Gemeinschaft wahrscheinlich wesentlich teurer und unberechenbarer als das jetzige Gebilde. Es führt kein Weg an tiefen strukturellen Veränderungen des Landes vorbei. Vor allem aber braucht Griechenland nicht immer neue Spar-Diktate, sondern kräftige Signale des Aufbruchs, es braucht Investitionen.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Mittelbayerische Zeitung
Weitere Storys: Mittelbayerische Zeitung
  • 13.02.2012 – 19:16

    Mittelbayerische Zeitung: Pfiffige Schweizer

    Regensburg (ots) - Von Christine Schröpf Bei der Energiewende kann Bayern von der Schweiz lernen. Die Eidgenossen, die sich beim Atomausstieg längst nicht so ehrgeizige Ziele gesetzt haben und wohl erst 2034 den letzten ihrer fünf Meiler vom Netz nehmen, sind dem Freistaat mehr als eine Nasenlänge voraus. Wichtigste Lektion: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss sich für den Investor rechnen, ob staatlich oder ...

  • 13.02.2012 – 19:15

    Mittelbayerische Zeitung: Geschichtsklitterung

    Regensburg (ots) - Von Thomas Dietz Dresdens Feuersturm-Inferno gehört zu den schlimmsten Katastrophen, die Menschen einander angetan haben. Solche apokalyptischen Ereignisse werden gern vereinnahmt: Erst von den Nazis, die "die Barbarei gegen die Zivilisation" nutzten, um neuen Mut für den Endsieg - "Halten bis zum Letzten!" zu mobilisieren. Von der DDR: "Stalin hat nie Städte angegriffen" und nun wieder ausgerechnet ...

  • 10.02.2012 – 19:55

    Mittelbayerische Zeitung: Geistiges Uneigentum Die Proteste gegen ACTA zerren eine wichtige Frage ins Licht: Wem gehören Ideen und was dürfen sie kosten? Leitartikel von Martin Anton

    Regensburg (ots) - Die Lage scheint entschärft. Die Bundesregierung hat einen Tag vor dem europaweiten Anti-ACTA-Protesttag angekündigt, das internationale Abkommen gegen Fälschungen vorerst nicht zu unterschreiben. Die Entscheidung liegt jetzt zunächst beim Europäischen Parlament, ob die Richtlinie im Umgang ...