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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Griechenland/Schulden/Bundesregierung von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Ein wenig mögen sich die Griechenland-Retter in Berlin, Brüssel und anderswo fühlen wie der sagenhafte Sisyphos. Weil der Gründer und Erbauer von Korinth gegen Göttervater Zeus aufbegehrt hatte, musste er fortan einen mächtigen Marmorstein einen Hügel hinaufwälzen. Doch jedes Mal, bevor der Stein den Gipfel erreicht, stürzt er wieder in die Tiefe. Heute wird der Bundestag das zweite Rettungspaket für Athen schnüren, doch die Zweifel am Sinn der Milliarden-Hilfen werden gleich mit hinein gepackt. Keiner will den Sisyphos geben. Bei der heutigen Abstimmung geht es nicht nur um die Bewilligung weiterer Hilfs-Kredite, um Hellas vor der drohenden Staatspleite zu retten, sondern es geht auch um das Klima, die weitere Handlungsfähigkeit, vielleicht sogar um den weiteren Bestand der schwarz-gelben Koalition. Bereits beim - möglicherweise inszenierten - Krach um die Gauck-Nominierung lagen die Nerven blank, blickten Union und FDP in einen Abgrund. Erreichte heute die Koalition nicht die Kanzlermehrheit, wäre das Kabinett Merkel-Rösler eine Regierung auf Abruf. Gewissermaßen ein Stein, den schon der kleinste Stoß den Abhang hinab rollen könnte. Die Appelle zu Geschlossenheit sind vor diesem Hintergrund besonders eindringlich, um nicht zu sagen penetrant. Koalitionsräson geht vor Überzeugung, basta. Die "Abweichler" von der schwarz-gelben Mehrheitsmeinung werden entsprechend unter Druck gesetzt. Horst Seehofer meinte noch diplomatisch, die Kanzlermehrheit in dieser wichtigen Abstimmung sei "wirklich gut" für die Koalition. Bar jeder Verklausulierung heißt das, wer nicht mitspielt, muss die Verantwortung tragen. Einen Bruch der jetzigen Koalition wollen allerdings weder CDU, CSU noch die siechenden Freidemokraten. Der zuletzt so aufmüpfige FDP-Chef Philipp Rösler am allerwenigsten. Seiner Partei drohte dann der Sturz in die politische Bedeutungslosigkeit. Brisant sind vor diesem Hintergrund die Bemerkungen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Bislang ist der Oberfranke nicht gerade mit wegweisenden Äußerungen zur Griechenland-Rettung aufgefallen. Doch nun sprudelt es geradezu aus ihm heraus, dass man Hellas den Ausstieg aus dem Euro-Raum gewissermaßen schmackhaft machen solle. Das ist umso bemerkenswerter, weil der Minister damit der Kanzlerin und ihrem Krisen-Finanzminister in den Rücken fällt. Kurz vor einer wichtigen Abstimmung. Obendrein lässt Friedrich offen, worin denn der Anreiz für das tief in die Rezession abgestürzte Land bestehen solle. Noch mehr Euro-Milliarden und wie viele? Vielleicht nicht als Kredite, sondern als eine Art Ausstiegsprämie, damit die Griechen zur Drachme zurückkehren? Friedrich mag mit seinen unausgegorenen Bemerkungen verbreitete Bauchschmerzen gegen das erneute Hilfspaket in der Union - und in der gesamten Bevölkerung - ausdrücken, hilfreich sind sie deshalb aber noch lange nicht. Ein wenig klingt das wie die Empfehlung, den Strick zu nehmen aus Angst vor dem Tode. Aber auch wenn das Hilfspaket heute in Berlin angenommen werden sollte, wofür vieles spricht, ist die Kuh noch lange nicht vom Eis. In Berlin, bei EU und Internationalem Währungsfonds setzt man weiter auf das Prinzip Hoffnung. Immer neue Hilfs-Kredite sollen Athen irgendwie (!) helfen, auf einen grünen Zweig zu kommen. Dass das hoch verschuldete Land nicht immer neue Kredite, sondern vor allem Investitionen, eine funktionierende Verwaltung und einen satten Beitrag der Reichen zur Gesundung des Landes braucht, geht dabei glatt unter.

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