Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung zu Portugal
Regensburg (ots)
Was Griechenland nicht geschafft hat, könnte Portugal erreichen: Das Auseinanderbrechen der Eurozone - wenn die Politiker sich nicht zusammenreißen. Vom vermeintlichen Wundermittel Schuldenschnitt lassen Europas Spitzenköpfe künftig besser die Finger, so wie sie es versprochen haben. 2010 lag das Staatsdefizit Portugals bei 9,8 Prozent. Daher schlüpfte es im April 2011 unter den Euro-Rettungsschirm. Das konsequente Senken des Haushaltsdefizits ist Bedingung, damit die Geldraten aus dem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket der EU und des Internationalen Währungsfonds auf Portugals Staatskonto landen. Allein weil Portugal sich von den vier größten Banken des Landes sechs Milliarden Euro aus der Pensionskasse in den allgemeinen Haushalt zahlen ließ, konnte die Regierung das Defizitziel von 5,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts in 2011 mit 4,2 Prozent unterbieten. Ohne den Trick läge das Defizit bei 7,7 Prozent - und das hätte Zahlstopp bedeutet. Der Preis dafür: In Zukunft wird Portugals Staat die Renten der Bankangestellten finanzieren müssen, denn das Geld muss er wieder zurückzahlen. Welch unglücklich Verwicklung, um an das Geld der internationalen Partner zu kommen. Für dieses Jahr verlangt die Troika das Ziel von 4,5 Prozent ohne Sondereinnahmen zu erreichen. Mit dem Griff in die Trickkiste sammelt Lissabon keine Vertrauenspunkte bei den Anlegern. Die Regierung muss genau wie die italienische und spanische beweisen, dass sie die hohen Schulden wirklich in den Griff bekommen kann. Die gigantische Geldspritze der Europäischen Zentralbank für europäische Banken bringt den Regierungen der Krisenstaaten drei Jahre Aufschub. Bis dahin müssen sie genügend eigene Substanz aufgebaut haben - Anleger deuten mehr Wachstum und Haushaltsüberschüsse als gutes Signal. Lissabon muss den Finanzmärkten seine langwierigen Strukturreformen erfolgsversprechender verkaufen, so wie es Italien und Spanien tun - damit die Anleger trotz großer Mängel in Bildungssystem und Infrastruktur in die strauchelnde Wirtschaft Portugals investieren. Ähnlich wie in Griechenland hat die Regierung ihre Sparziele im letzten Jahr nicht erreicht, das Wirtschaftswachstum ist schmächtig, dafür bauen sich rasend schnell immer mehr Schulden auf. Unter diesen Umständen darf sich der Verdacht jedoch nicht erhärten, dass nach immer höher wachsenden Schulden automatisch das Wundermittel Schuldenschnitt eingesetzt wird - eben wie in Griechenland. Stattdessen sollten sich die Politiker schon mal auf ein zweites Hilfspaket für Portugal einstimmen. Falls Portugal nicht zurück auf den Wachstumskurs kommt, raten Wirtschafts- und Finanzexperten in Lissabon eben genau dazu. Zu den 78 Milliarden Euro des ersten Hilfspakets müssten dann noch 30, 50 oder mehr Milliarden Euro fließen. Überlegungen dahin gehend winkte die Kommission gestern ab. Ein zweites Paket sei nicht nötig, wenn das Strukturprogramm nach Plan umgesetzt würde, erklärte Peter Weiss, der Vize-Missionschef für Portugal. Klar, sagt er dies, denn der Widerstand gegen ein weiteres Hilfspaket wäre programmiert. Nach allem, was wir in der Debatte um das zweite Griechenlandpaket erlebt haben. Wenn Europas Politiker aber das Versprechen vom Dezember brechen, und ein halbes Jahr später doch zum Schuldenschnitt greifen, weil Portugal es alleine nicht schafft, verspielen sie wohl zum letzten Mal ihre Glaubwürdigkeit. Der Schuldenschnitt ist das rote Tuch für Anleger. Wenn sie ihn nur ahnen, scheuen sie vor Investitionen in den Krisenländern zurück. Ein Schuldenschnitt für Portugal würde die Risikoprämien für spanische und italienische Staatsanleihen in die Höhe schießen lassen. Und auch Irland wäre nicht mehr zu retten. Das würde Europas Bankensystem nicht überleben. Die Eurozone würde auseinanderbrechen. Ein zweites Hilfspaket - also Solidarität - scheint für den Zusammenhalt der EU unumgänglich.
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