Mittelbayerische Zeitung: Ramsauers Sommertheater Der Verkehrsminister taktiert - im eigenen Interesse und dem seiner Partei. Leitartikel von Christian Kucznierz
Regensburg (ots)
In der CSU-Zentrale und im Verkehrsministerium gibt es offenbar einen Wecker. Der läutet immer zur gleichen Zeit, einmal im Jahr, wenn die Feriensaison losgeht. Dann also, wenn die vielen Ausländer über die schönen Autobahnen des Freistaats rollen, ohne einen Cent dafür zu zahlen, während der brave deutsche Autourlauber in den Nachbarländern zur Kasse gebeten wird - so zumindest lautet dann die immer gleiche Mär. Mit der begründet Verkehrsminister Peter Ramsauer auch immer, warum es Zeit wird, dass in Deutschland auch Maut gezahlt wird. Wie in jedem Märchen steckt auch in Ramsauers Geschichte ein Quäntchen Wahrheit. Die aber geht leider unter und diesem Spiel, bei dem es um Aufmerksamkeit geht - und um Taktik. Ramsauer hat bislang wenig Gutes in seiner Bilanz vorzuweisen. Viele Infrastrukturmaßnahmen stocken. Die Region wartet zum Beispiel immer noch sehnsüchtig auf einen Flughafenanschluss per Bahn. Oder auf die Elektrifizierung der Bahnstrecke Regensburg-Hof. Hingegen braucht niemand in Bayern Riesen-Lkw, wie sie im Freistaat erprobt werden. Und Projekte wie die Rollende Landstraße, die die übervollen Autobahnen entlasten würden, sind nicht im Programm des Straßenverkehrsministers. Hilfreich in einer solchen Situation ist es, sich mit einem Aufregerthema zu Wort zu melden, noch dazu im Medium mit der größten Lautsprecherwirkung. Die Aufmerksamkeit von Millionen Autofahrern ist Ramsauer sicher. Die seiner Koalitionskollegen ebenso. In der CDU herrscht wenig Sympathie für die Pläne aus dem Haus Ramsauer. Das ist ein ebenso alter Hut, wie es die Pläne für eine Pkw-Maut aus der CSU sind. Bereits Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber haben sich unter Schwarz-Rot eine blutige Nase bei der schon damals regierenden Angela Merkel geholt. Auch heute will die Kanzlerin nicht mitmachen. Die FDP erst recht nicht. Der Gedanke an die Rache des Wählers bei der Bundestagswahl 2013 mag bei den Liberalen, die soeben erst die erneute Wiederauferstehung hinter sich haben, das nackte Entsetzen ausgelöst haben - ebenso wie bei den Autofahrern. Die ärgern sich über von Lkw verstopfte Autobahnen, für deren Benutzung sie in Zukunft auch noch zahlen müssen. Doch wer glaubt, dass Ramsauer der Koalition nur ein weiteres faules Ei ins - durchaus schon mit derlei Unrat belegte - Nest gelegt hat, irrt. Freilich ist der Zeitpunkt, kurz vor dem an Konfliktpotenzial nicht armen Treffen der Koalitionsspitzen am 4. Juni, eigentümlich. Ramsauers Vorschlag kommt aber erstens in einer nachrichtenarmen Zeit, was ihm höchste Aufmerksamkeit bringt. Zweitens ist es lang genug her, dass die Koalition laut über eine Entlastung der vom hohen Spritpreis gebeutelten Autofahrer nachgedacht hat. Ramsauer kann also darauf setzen, dass ihm sein Kurswechsel nicht übel genommen wird. Drittens: Ramsauer hat schon einmal die Maut-Keule geschwungen - und damit eine Milliarde für sein Budget erstritten. Und wenn das diesmal nicht gelingt, könnte am Ende zumindest die Maut-Idee gegen das Betreuungsgeld eingetauscht werden. Denn auch das will die FDP nicht. Ein perfides Spiel, sicher; aber eines mit Erfolgschance. Dabei bleibt das Problem auf der Strecke. In Sachen Infrastruktur fehlt es an allen Ecken und Enden - und leider auch an guten Ideen und an politischem Willen. Eine intelligent gestaltete und in andere Verkehrsprojekte eingebettete Pkw-Maut könnte hier einen Beitrag leisten. Doch mit einer Koalition, in der es den Partnern vor allem um das eigene Profil geht, ist das nicht mehr zu machen.
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