Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Euro-Rettung und Gipfeltreffen: "Merkels Mahnungen"
Regensburg (ots)
Vielleicht kommt es Fußballfachfrau Angela Merkel gar nicht so ungelegen, wenn sie am 1. Juli nicht in die ukrainische Hauptstadt zum Endspiel der Fußball-Europameisterschaft fahren muss. Nicht, weil sie den Löw-Kickern den Einzug ins Finale nicht zutrauen würde, sondern aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen unter Staatschef Viktor Janukowitsch. Wer weiß? Allerdings steht die Kanzlerin auch ohne den zusätzlichen Trip ins Fußballstadion unter Dauerstress. Am Wochenende fliegt sie zum G20-Gipfel nach Mexiko, der ganz sicher von der Euro-Schulden-Krise dominiert werden wird. Dabei ist in Deutschland selbst noch nicht hundertprozentig klar, dass sich Parlament und Länderkammer noch vor der Sommerpause auf den dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus (ESM) sowie die Schuldenbremse einigen werden. Es bleibt ein Kraftakt. Vor allem die Länder verlangen, dass sie nicht allein die Zeche bezahlen müssen. Eine Prise Erpressung seitens der Länder ist freilich auch im Spiel. Viele Probleme schnüren sich derweil wie ein Knoten zusammen - und Merkel erwarten In- und Ausland, dass sie diesen Knoten zerschlägt. Wie weiland Alexander der Große den Gordischen Knoten mit einem Schwerthieb zerteilte. Von Deutschland wird Führungsstärke erwartet, heißt es in der EU. Das Land müsse einen größeren Beitrag zur Bewältigung der Euro-Krise übernehmen, verlautet es mehr oder weniger unverhohlen aus Washington. Deutschlands exportorientierte Wirtschaft profitiere schließlich am meisten von der Einheits-Währung. Allerdings sind die Erwartungen an Deutschland, in Person von "Angela Super-Frau", ziemlich überzogen. Insofern war es richtig, dass Merkel gestern im Bundestag deutliche Worte gefunden und vor einer Überlastung gewarnt hat. Natürlich ist Deutschlands Stärke nicht unendlich, und seine Kräfte sind nicht die eines Superman. Mag sein, dass die deutsche Regierungschefin solche Sätze weniger an das Publikum im Inland, sondern eher an die Partner im Ausland, in Paris, Madrid, Rom oder Athen und Washington gerichtet hat. Kern der Botschaft ist: Wenn die Wirtschaftslokomotive Deutschland gebremst wird, dann kann sie nicht weiterhin den europäischen Konjunkturzug voranbringen. Allerdings muss Berlin durchaus schon Vorbild für die anderen EU- und Euro-Länder sein. Sollte dagegen ausgerechnet Deutschland Rettungsschirm und Schuldenbremse nicht absegnen, wäre das praktisch das Aus für beide Polit-Projekte. Nicht nur Merkel wäre dann blamiert, sondern zwei wichtige Vorhaben würden in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Führung verlangt häufig Schweiß und oft auch Opfer, auf jeden Fall aber Unermüdlichkeit. Eine Rettung aus der Euro-Schuldenkrise ist durch schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme nicht zu schaffen - mit dieser Grundposition hat die deutsche Kanzlerin zweifellos Recht. Freilich steht sie damit mittlerweile ziemlich allein auf weiter Flur. Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande ist beim Geldausgeben gar nicht pingelig und harte Sozialreformen seines Vorgängers dreht er flott wieder zurück. Und sollte Griechenland auch nach der Wahl am Sonntag praktisch unregierbar bleiben, würde das Merkels Mission nur noch schwieriger machen. Allerdings erfährt auch der bisherige überaus harte Kurs der Euro-Rettung und Haushaltssanierung der Kanzlerin kräftige Korrekturen. Kaputtsparen à la Griechenland ist vorbei. Es geht um sinnvolles Konsolidieren, ohne die Wachstumskräfte abzuwürgen, ohne große Teile der Bevölkerung zu verarmen. Auch eine Schuldenbremse ist kein Selbstzweck. Doch schafft Merkel die Kurskorrektur, wofür einiges spricht, dann könnte sie dereinst als Retterin Europas gefeiert werden. Bei alle dem geht es nicht zuletzt um Merkels Macht in Berlin. Autor: Reinhard Zweigler
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