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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar/Leitartikel zu Rumänien: "Einzige Rettung Europa"

Regensburg (ots)

Prekäre Demokratien gibt es in Osteuropa genug. Aber was gerade in Rumänien geschieht, toppt alles bisher Dagewesene. In atemberaubender Geschwindigkeit räumt die neue Mehrheit aus Sozialdemokraten und Nationalliberalen alle Hindernisse zur Absetzung des Präsidenten aus dem Weg. Gesetze werden geändert, Beamte im Handstreich ersetzt. Ob dabei wenigstens förmlich alles mit rechten Dingen zugeht, wird sich wohl erst herausstellen, wenn der Pulverdampf dieser Tage sich verzogen hat. Wir nicht, aber die auch! Das ist üblicherweise die Antwort, wenn jemand sich über das Vorgehen empört. Bei fairer Betrachtung wird man aber konstatieren müssen: Was sich da jetzt abspielt, ist im Grunde die Ära des Präsidenten Traian Basescu im Zeitraffer. Fast alle Gesetze, mit der die neue Mehrheit sich gerade ihren Weg bricht, hat der machtbewusste Präsident zu seinen Gunsten ändern lassen, als er noch die Parlamentsmehrheit kontrollierte. Rumäniens Demokratie ist nicht erst seit Mai prekär, als die neue Mehrheit ihren rücksichtslosen Durchmarsch antrat. Das macht es für die Europäer so schwer, den neuen Mächtigen jetzt in den Arm zu fallen. Den Ermächtigungen des Präsidenten Basescu hat die Union nämlich tatenlos zugesehen. Was der ruppige neue Premier Victor Ponta jetzt unternimmt, setzt aber eine gefährliche Spirale in Gang. Alle seine Gesetzesänderungen werden wieder rückabgewickelt werden, wenn die anderen wieder an der Macht kommen, und alle Günstlinge, die er jetzt in Ämter bringt, wird man wieder durch die jetzt vertriebenen Günstlinge ersetzen. Spätestens beim nächsten Mal wird dann wohl auch gegen den Buchstaben der Verfassung verstoßen werden. Wirklich neutrale Instanzen gibt es in Rumänien nicht. Statt ihren Auftrag zu erfüllen, gehorchen die Institutionen den Anweisungen der Politik. Das gilt auch für das Verfassungsgericht, das je zu einem Drittel vom Präsidenten und beiden Häusern des Parlaments besetzt wird. Der Versuch allerdings, die höchste Verfassungsinstanz unter Druck zu setzen und in seinen Kompetenzen zu beschneiden, geht genau in die falsche Richtung. Wenn sich an der empörenden Willfährigkeit der Richter jemals etwas ändern soll, muss man sie stärken und nicht schwächen. Selbst um den Preis ihrer Macht hat sich eine demokratische Regierung den Richtern zu unterwerfen, so parteiisch sie auch sein mögen. Stoppen kann die gefährliche Spiralbewegung nur eine einmütige und entschlossene Antwort Europas. Zum Glück ist das EU-Mitglied Rumänien Teil einer internationalen Werte- und Schicksalsgemeinschaft. Um richtig zu reagieren, muss Europa zunächst begreifen, dass das Geschehen in Rumänien mit rechts und links nichts zu tun hat. Sozialdemokraten wären schlecht beraten, mit ihren Parteifreunden in Rumänien in dieser Lage Solidarität zu üben. Sie würden den ganzen Kontinent in die rumänischen Machtquerelen hineinziehen; das Ergebnis wäre keine Europäisierung Rumäniens, sondern die Balkanisierung Europas. Aber auch Christdemokraten und Konservative in der Europäischen Volkspartei täten gut daran, ihre Argumente zu schärfen. Wer jetzt von einem "Putsch" spricht, sollte an die Ära Basescu denselben Maßstab anlegen. Das Volk ist verunsichert bis angeekelt von dem Schauspiel, das seine politische Klasse da aufführt. Ponta sei "der beste Schüler im Diktatur-Lehrgang Basescus" gewesen, haben Demonstranten vor dem Regierungsgebäude auf ein Plakat geschrieben - eine treffende, aber auch eine verzweifelte Parole. Bei der bevorstehenden Parlamentswahl im Herbst steht einmal mehr Pest gegen Cholera. Eine dritte Kraft ist nirgends auszumachen. Tatsächlich hat das Desaster der Politik ja seine Wurzeln auch im alltäglichen Zusammenleben. Das System würde nicht funktionieren, wenn nicht alle mitmachen und sich nach den Signalen der Parteien richten würden. Korruption und Machtwillkür herrschen nicht nur an der Staatsspitze. Außer vom Vorbild Europa ist weit und breit keine Rettung in Sicht. Darin steckt auch eine Mahnung an die krisengeschüttelte Union. Die rumänische Krise vermittelt uns eine Ahnung davon, was in der Region los wäre, wenn es die Union nicht mehr gäbe. Autor: Norbert Mappes-Niediek

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