Mittelbayerische Zeitung: Irgendwie spanisch
Regensburg (ots)
Von Reinhard Zweigler
Nicht Angela Merkel, sondern Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble übernahm gestern die Aufgabe, die Abgeordneten des Bundestages von der Notwendigkeit des 100-Milliarden-Euro-Hilfspaketes für spanische Banken zu überzeugen. Der erfahrene Minister tat das schnörkellos-ernst, ohne Polemik und auch ohne falsches Pathos, fast schon unterkühlt. Aber vielleicht war das genau die richtige Mischung. Es geht immerhin darum, mit einer gewaltigen Garantiesumme beziehungsweise Hilfskrediten den Zusammenbruch des spanischen Bankensystems zu verhindern. Ein Desaster in Spanien würde ein Beben im gesamten Euro-Raum mit noch weitaus dramatischeren Folgen auslösen. Für die Gemeinschaftswährung und für die betroffenen Volkswirtschaften. Deutschland und die anderen Euro-Länder helfen Spanien nicht nur aus purer Solidarität, sondern auch, weil sie nur so Stabilität, Wachstum und Wohlstand im eigenen Land aufrechterhalten können. Der Teufelskreis von überschuldetem Staat und notleidenden Banken, die sich in der spanischen Immobilienblase verzockt hätten, müsse durchbrochen werden, argumentierte Schäuble. An die Adresse der vielen Kritiker in Koalition und Opposition gewandt, verwies er darauf, dass es die Hilfen nicht ohne harte Gegenleistungen gebe. Jede Bank bekomme einen Prüfer ins Haus geschickt. Nicht lebensfähige Geldhäuser müssten abgewickelt werden. Bankeneigner müssten zur Kasse gebeten werden, bevor es Hilfsgeld gebe. Und nicht zuletzt müssten Banken-Manager den Gürtel enger schnallen. Manch ein Abgeordneter glaubte Schäubles Beteuerungen allerdings nicht. Und ob die Finanzmärkte, die kräftig gegen Spanien spekulieren, nun beruhigt, gezähmt oder nur milde gestimmt werden, wird sich erst noch zeigen. Überhaupt kommt das gigantische Hilfspaket für Madrid vielen irgendwie spanisch vor. Vielen Bürgern und Steuerzahlern. Aber auch vielen Abgeordneten des Bundestages selbst. Mancher gab seine Ja-Stimme nur mit großen Bauchschmerzen und nur mit geballter Faust in der Tasche ab. Koalitionsräson siegte über die eigenen Bedenken. Bei vielen mag auch das Prinzip Hoffnung ausschlaggebend gewesen sein für die Zustimmung. Die Hoffnung, dass in das Hilfs-Paket ausreichend Geld gepackt wurde. Dass die Brandmauer gegen Spekulanten hoch genug ist. Dass sich Spanien mit energischen Reformen zu einem Großteil am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann - und muss. Die Hoffnungen werden genährt, weil es Irland und Portugal schaffen, aus dem Schlamassel heraus zu kommen. Bei Griechenland sieht die Sache offenbar anders aus. Aus Sicht der schwarz-gelben Koalition hatte die gestrige Abstimmung zudem den Makel, dass wiederum keine eigene Kanzlermehrheit zustande kam. Das war für das Hilfspaket für Madrid letztlich freilich nicht entscheidend. Doch dies ist mehr als ein kleiner Schönheitsfehler, mehr als ein kleiner Regenschauer in der Urlaubszeit. So langsam wird es nämlich Mode, dass Schwarz-Gelb wichtige Vorhaben nur noch mit Schützenhilfe aus der Opposition zustande bekommt. Das Fundament dieser Regierungskoalition ist brüchig. Auch die gestrige Abstimmung kommt einem irgendwie spanisch vor.
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