Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung zu Eröffnung Olympische Spiele in London
Regensburg (ots)
In Sachsen herrscht derzeit überwiegend Erleichterung. Und so mancher Leipziger schätzt sich glücklich, dass dieser Kelch an ihm vorübergegangen ist. Solch unappetitliche Dinge wie Luftabwehrraketen, paramilitärische Übungen, Verkehrschaos, Wucherpreise und Streikdrohungen bleiben ihm erspart. Der organisierte deutsche Sport hatte ja ursprünglich mal Leipzig ins Rennen um den Austragungsort der Olympischen Spiele 2012 geschickt, eine putzige Schaufensterbewerbung, die beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) natürlich schon in der Vorauswahl mit Pauken und Trompeten durchfiel. Es handelte sich dabei um ein tiefgreifendes Missverständnis. Das damals von Korruptionsaffären gebeutelte IOC hatte um die Jahrtausendwende zum Zwecke der Imagepflege eine neue Bescheidenheit ausgerufen, alles sollte eine Nummer kleiner und am besten auch nachhaltiger ausfallen. Es blieb beim bloßen Lippenbekenntnis. In die ostdeutsche Provinz zog es dann doch keinen der hohen Herren. Sie kürten die Weltstadt London, wo jetzt die periodische Leistungsschau der globalen Leibesübungen über die Bühne geht. Der alte Kontinent kommt also nochmals zum Zug, wenngleich das IOC mit der Wahl von Peking 2008 und Rio de Janeiro 2016 längst signalisiert hat, wohin die Reise geht. In den Metropolen der aufstrebenden Wirtschaftsmächte schlummern das olympische Potenzial und die Profite der Zukunft. London wird aller Wahrscheinlichkeit nach solide Spiele sehen. Mehr zu erwarten, wäre unrealistisch. Ans Flair und an die Emotionen von Sydney 2000 reichten keine Nachfolger mehr heran, weder Sommer- noch Winterspiele. Bis heute wirken die Erschütterungen des 11. September 2001 bei Olympia nach. Wirklich heitere Spiele liegen seitdem außerhalb jeder Vorstellungskraft. Hinzu kommt ein Binnenproblem. Fußball hat spätestens seit dem Sommermärchen 2006 im beinharten Verdrängungswettbewerb um die (mediale) Aufmerksamkeit die Oberhand gewonnen. Olympia hat hierzulande Mühe, nicht als Wurmfortsatz eines opulenten Sportsommers wahrgenommen zu werden. Der Deutsche Olympische Sportbund als Dachverband entsendet wegen des gewaltigen Aderlasses in den Mannschaftsdisziplinen die kleinste Delegation seit der Wiedervereinigung. Daraus einen Trend ableiten zu wollen, wäre verfrüht. Sollte sich diese Entwicklung jedoch fortsetzen, droht dem deutschen Spitzensport ein dramatischer Bedeutungsverlust. Bleibt noch der olympische Makel: Wer die phänomenale Leistung siegreicher Athleten für bare Münze nimmt, hat oft schon verloren. Die bedauernswerten Dopingjäger nehmen sich aktuell gerade nochmals die Proben der Spiele 2004 in Athen vor - und siehe da: Sie entdecken Auffälligkeiten. Es geht um Epo und Steroide, Substanzen also, die längst Eingang in den sportlichen Sprachschatz gefunden haben. Das IOC hatte offenbar zwischenzeitlich Wichtigeres zu tun, es prahlt mit Rekord-Rücklagen und hohen Erlösen aus der TV-Vermarktung. Die ewige Debatte um alle Formen der Leistungsmanipulation ist da eher geschäftsschädigend. Dabei genügt ein Blick auf das olympische Motto. Das "Schneller, höher, weiter" funktioniert eben ab einem bestimmten Punkt nur mehr, wenn man der Natur etwas auf die Sprünge hilft. Für alle anderen Fälle gilt freilich weiterhin: Dabeisein ist alles. Ob sie jedoch bereits die Ausnahme sind, ist leider schwer zu beurteilen.
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