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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur EZB: "Das süße Gift des Mario Draghi"

Regensburg (ots)

Nun haben sie es doch getan! Die Europäische Zentralbank hat unter ihrem Präsidenten Mario Draghi den Beschluss gefasst, unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Krisenländern aufzukaufen. Was als flexible und rasch wirksame Nothilfe für hochgefährdete Schuldenländer, wie Italien oder Spanien, verkauft wird, ist in Wirklichkeit der brandgefährliche Versuch, die Schuldenkrise durch das hemmungslose Anwerfen der Notenpresse zu lösen. An diesem verhängnisvollen Freibrief für weiteres Schuldenmachen wird die Euro-Gemeinschaft noch sehr lange zu knabbern haben. Die Notrettungsmaßnahme wird mit einem gewaltigen Inflationsrisiko teuer erkauft. Zu teuer. Dass sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann tapfer, aber vergeblich gegen den Draghi-Kurs gewehrt hat, ist leider nur eine Fußnote. Der Bundesbanker hatte im Vorfeld zwar mit seinem Rücktritt gedroht. Der Mann, der jahrelang unter Angela Merkel im Kanzleramt gedient hat, wäre damit jedoch nur ein weiterer deutscher Banker gewesen, der frustriert seinen Hut nähme. Das Mittel des Rücktritts ist in diesen Kreisen jedoch nur ein stumpfes Schwert. Es sichert Aufmerksamkeit und vielleicht heimliches Schulterklopfen für einen Tag, aber zeigt sonst keine Wirkung. Weidmann pocht zu Recht seit Monaten darauf, dass weitere und nun auch noch unbegrenzte Aufkäufe von Staatsanleihen diametral gegen den Auftrag der EZB verstoßen. Die Eurobank soll nämlich für die Stabilität der Gemeinschaftswährung sorgen und nicht Schuldenstaaten finanzieren. Dem obersten Bundesbanker muss bitter aufstoßen, dass zuletzt sogar die Kanzlerin ihre Haltung verwässerte. Der Kauf von Anleihen verstoße nicht gegen das EZB-Mandat, hatte Merkel einen Tag vor der EZB-Sitzung ausrichten lassen. In Madrid und Rom mag man die Botschaft der Kanzlerin sehr gern gehört haben. Denn es mildert etwas den Druck, selbst einzusparen, und einschneidende Reformen im eigenen Land voranzutreiben. Zuvor war "Madam No" aus Berlin als "Eiserne Lady" verspottet worden. Jetzt hat sie plötzlich nichts mehr dagegen, dass Draghi das süße Gift der Anleihekäufe verteilt. Frisches EZB-Geld könnte dazu führen, dass die Anstrengungen zu Reformen schon bald nachlassen. Der Italiener Draghi weitet mit seinem Kurs den Auftrag der EZB sehr viel weiter aus, als es das EZB-Gründungspapier hergibt. Spitzfindig unterscheidet der Euro-Banker dabei, ob es sich um kurzfristige oder langfristige Staatspapiere handelt, und ob sie auf dem Primär- oder dem Sekundärmarkt gehandelt werden. Solche Haarspaltereien verstehen weder die normalen Bürger, noch die meisten Politiker. Politisch brisant wird das Vorgehen der EZB auch, weil sich die verschwiegene, geheim tagende Euro-Bank zu einer Art Ersatzregierung aufzuschwingen droht. Mit ihren Anleihekäufen entscheiden die Banker mit über die Zinshöhen für bestimmte Staaten - und damit indirekt über Staatsfinanzen. Und zwar ohne direkte demokratische Kontrolle. Ein erlesener Club von Euro-Bankern kann sich damit über Entscheidungen von Regierungen und Parlamenten hinweg setzen. So oder so. Deutschland als Hauptfinanzier der EZB trägt für diese Schuldenunion durch die Hintertür zugleich das größte Risiko. Es ist vertrackt. Autor: Reinhard Zweigler

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