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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Griechenland: "Ein bisschen Wahrheit"

Regensburg (ots)

Ein wenig geht es den "Griechenland-Rettern" in Brüssel und Berlin wie dem sagenhaften Sisyphos. Der listige Grieche sollte zur Strafe einen Granitblock den Berg hinaufrollen. Doch jedes Mal, wenn er oben ankam, rollte das schwere Ding wieder hinab. Die EU-Finanzminister haben in einer quälend-langen Nachtsitzung ein neues Hilfspaket mit einer gewagten Anleihe-Rückkauf-Aktion, mit Zinsverschiebungen und neuen Milliarden-Krediten für Hellas gepackt. Doch auch das dürfte nicht ausreichen, um das Land wirklich aus der Krise zu führen. Griechenland rollt weiter tief in die wirtschaftliche Rezession, in soziales Elend und politisches Chaos. Allen schönfärberischen Worten zum Trotz, die jetzt auch von der Berliner Regierung zu hören sind: Griechenland rutscht immer tiefer in den Schlamassel. Daran werden auch neue Euro-Kredite nichts ändern. Sie bewirken höchstens, dass dem Ertrinkenden wieder etwas Luft in den Schwimmring geblasen wird. Aber bald ist auch diese Luft wieder entwichen. Man wolle Zeit kaufen, heißt es zur Begründung des neuen Hilfsprogramms. Aber Zeit wofür? Trotz mehrerer drakonischer Sparprogramme, mit denen Athen Löhne senkte, Staatsdiener entließ, das Gesundheitssystem rasierte oder das Rentenalter auf 67 Jahre anhob, hat sich die Lage nicht verbessert. Die Finanzbehörden sind nicht in der Lage, ausstehende Zahlungen für den Fiskus einzuholen. Auf der anderen Seite haben Griechenlands Reiche längst Milliarden Euro ins Ausland transferiert. Das neue Hilfsprogramm hält den schwerkranken Patienten mit neuen Medikamenten - neuem Geld - am Leben, für eine Heilung sorgt es dagegen nicht. Europäische Union, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank setzen viel zu einseitig darauf, Griechenland fiskalisch am Leben zu erhalten, die Wirtschaftskraft wird dagegen nicht gestärkt. Vor diesem Hintergrund kann man einen großen Teil der Kredite auch gleich in den Schornstein schreiben. Doch halt, vor einer solch einschneidenden Konsequenz scheut die Bundesregierung und scheut die internationale Troika zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser. Die Wahrheit über die wirklichen Belastungen des deutschen Haushalts und damit der Steuerzahler hierzulande kommt in kleinen homöopathischen Dosen. Einige Hundert Millionen Euro etwa gehen dem Etat verloren, weil EZB- beziehungsweise Bundesbankgewinne aus Geschäften mit griechischen Anleihen nach Athen überwiesen werden sollen. Dass von den rund 240 Milliarden-Euro-Krediten der öffentlichen Hände der EU-Staaten sehr viele Milliarden abgeschrieben werden müssen, sprechen weder Schäuble, noch Merkel oder die EU-Spitzen aus. Mit solchen bitteren Wahrheiten ist in Deutschland kein Wahlkampf zu bestreiten, wahrscheinlich nicht einmal ein CDU-Parteitag. CSU-Löwe Horst Seehofer hat noch einmal die "rote Linie" nachgezogen, keinen Schuldenschnitt, also keinen Schuldenerlass für Athen. Dabei sind die Anleihe-Rückkäufe nichts anderes als eine Art Schuldenerlass. Seehofers Warnung, nur ja nicht die Brandmauer einzureißen, weil dann auch andere Problemländer "auf der Matte stehen" und Ähnliches fordern könnten, ist geradezu rührend. Diese Brandmauer ist längst eingerissen worden, als die EZB griechische Schrottpapiere aufkaufte. Dass es nach dem Schuldenschnitt für private Gläubiger auch einen für die staatlichen Kreditgeber Athens geben muss, wissen nahezu alle Beteiligten. Wetten, dass Schwarz-Gelb diese Einsicht bis nach der Bundestagswahl hinauszuzögern suchen wird. Mit immer nur ein bisschen Wahrheit soll nun auch der Bundestag abgespeist und fast zur Zustimmung für das aktuelle, hochkomplizierte Rettungspaket genötigt werden. Im Schweinsgalopp sollten die Vorlagen nun wahrscheinlich morgen abgesegnet werden. Dabei besteht zu übergroßer Eile überhaupt kein Anlass, sieht man einmal vom Anleihe-Rückkaufprogramm ab, das bis zum 12. Dezember abgeschlossen werden muss. Erst ab dem 13. Dezember soll Geld nach Athen fließen. Freilich will die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende das unliebsame Thema vor dem Parteitag Anfang kommender Woche vom Tisch haben. Fürs Erste jedenfalls. Merkel, Schäuble und Co. ordnen die Griechenland-Hilfe kleinlicher Parteitaktik unter. Autor: Reinhard Zweigler

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