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Mittelbayerische Zeitung: Gewagte Wende bei der Energiewende Bund und Länder haben sich nicht über eine Strompreisbremse verständigt. Der Wahlkampf bremste sie aus. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Vergleicht man die Energiewende in Deutschland mit einem Wendemanöver beim Segeln, dann stellt sich die Operation etwa so dar: Im Grunde sind sich alle im Boot über den notwendigen Kurswechsel einig. Aber die einen wollen ihn nicht ganz so rasant, raffen Segel und drosseln die Fahrt. Die anderen dagegen möchten am liebsten hart am Wind wenden. Und natürlich soll möglichst niemand seekrank werden beim rasanten Manöver. Viele Hände greifen ins Steuerruder und bei der Kursbestimmung möchte möglichst jeder Kapitän sein. Auf diese Weise wird die Energiewende zu einer gewagten Wendefahrt. Ob die große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt glückt oder nicht, ist auch nach dem gestrigen Energiegipfel im Kanzleramt noch nicht sicher. Bundesregierung und Bundesländer wollen nun zumindest die notwendigen Stromnetze einvernehmlich planen. Die Planung der neuen Stromadern macht künftig nicht mehr an Ländergrenzen halt, sondern es kann in einem Zug durch die Bundesnetzagentur durchgeplant werden. Ein kleiner, aber sehr wichtiger Schritt nach vorn immerhin. Keinen Schritt weiter kam die Gipfelrunde dagegen bei der sogenannten Strompreisbremse. Auch hier sind sich zwar beide Seiten grundsätzlich einig, dass die Umstellung auf Öko-Energie für Privatverbraucher und Wirtschaft bezahlbar bleiben muss. Doch wie man das konkret bewerkstelligen kann, darüber tobt ein erbitterter politischer Streit. Erschwerend wirkt sich aus, dass der Wahlkampf eine funktionierende Strombremse nahezu ausbremst. Schwarz-gelbe Regierung und rot-grün dominierte Länder haben sich schwer verhakt. Vermutlich wird das Fingerhakeln bis zum 22. September anhalten. Verlorene Zeit für eine Großaufgabe, die eigentlich keinen Stillstand duldet. Die Bundesregierung will mit einem ganzen Maßnahmebündel die rasant steigende Ökostrom-Umlage bändigen. Länder pochen vor allem auf die Absenkung der Stromsteuer, für die der Bund bluten müsste, weil er weniger in die Kasse bekäme. Außerdem sollen große Energieverbraucher in der Wirtschaft, die bislang weitgehend von der Ökostrom-Umlage befreit waren, kräftiger zur Kasse gebeten werden. Doch bei diesem Punkt, an dem auch Merkel, Altmaier und Rösler mitmachen wollen, liegt der Teufel im Detail. Denn eigentlich sollten nur energieintensive Unternehmen, die im harten internationalen Wettbewerb stehen, von der Umlage ausgenommen werden. Doch bislang kommen auch der Eisenbahn- und der öffentliche Personennahverkehr sowie Firmen der Nahrungsmittelindustrie weitgehend ungeschoren davon. Sollte bei denen die Öko-Umlage künftig voll durchschlagen, wären höhere Preise bei Tickets für Bahnen und Busse sowie bei Lebensmitteln unvermeidbar. Diesen Kolateralschaden hat man gestern zumindest abgewendet. Gut ist auch, dass die Kanzlerin den Plan von Umweltminister Altmaier beerdigt hat, der den Öko-Stromerzeugern die rechtlich zugesagten Vergütungen kappen wollte. Damit wäre der Umweltminister wahrscheinlich spätestens vor Gericht gescheitert. Bei neuen Ökostromanlagen freilich wird das Geld nicht mehr so üppig sprudeln. Auch gut so. Die vielen Akteure an Bord des Energiewende-Kahns sollten nicht vergessen, bei einem solchen Wendemanöver muss man vorher wissen, wohin man steuern will und dass jeder Handgriff sitzen muss.

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