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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Jubiläum der SPD: Glück auf, Genossen! von Stefan Stark

Regensburg (ots)

Die SPD kann eine glorreiche Vergangenheit feiern. Doch immer wieder setzt sich die Partei selbst schwer zu.

Was für ein eindrucksvolles Jubiläum! In einer Zeit, in der neue Parteien so schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken, wie sie vorher hochgejubelt wurden, feiert die SPD ihr 150-jähriges Bestehen. Die Partei blickt zurück auf eineinhalb Jahrhunderte, in denen sie Zeitgeschichte schrieb. Und sie brachte Politiker hervor, die für ihren Kurs geliebt und bewundert - aber auch gehasst wurden. Die Sozialdemokraten haben die Geschicke der Bundesrepublik in entscheidenden Momenten in Bahnen gelenkt, die unseren Alltag heute bestimmen. Doch viele Beschlüsse - und das ist das Tragische für die SPD - haben der Partei schwer zugesetzt. Der prägende Einfluss begann im ausgehenden 19. Jahrhundert, als die Arbeiter dank der SPD erstmals als gesellschaftlich relevante Gruppe wahrgenommen wurden. Und er endet vorläufig bei Gerhard Schröder mit seiner Agenda-Politik, als die Partei nach Meinung von Kritikern das "Soziale" aus ihrem Namen strich. Dazwischen liegen Stationen von historischer Dimension. Der 23. März 1933, als die Sozialdemokraten als einzige Partei gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmten. Die 70er Jahre mit Willy Brandts Ostpolitik, die man mit Fug und Recht als ersten Schritt auf dem Weg hin zum Fall der Berliner Mauer bezeichnen kann. Nicht zu vergessen Brandts innenpolitische Reformen, die mit dem gesellschaftlichen Muff der Adenauer-Zeit aufräumen sollten. Und natürlich das deutsch-französische Tandem Helmut Schmidt/Giscard d'Estaing, deren Vision vom vereinten Europa die Grundlage für die EU schuf. Glück auf, möchte man den Genossen in Erinnerung an diese glorreiche Vergangenheit zurufen. Doch viele Wermutstropfen bleiben. Denn immer dann, wenn sich die SPD der Staatsräson unterwarf, kam es zu Abspaltungen und dramatischen Schwächungen der Partei. Einen Vorgeschmack erlebte die SPD bereits vor 100 Jahren, als sie den Kriegskurs des Kaisers unterstützte, und zahlreiche unzufriedene Genossen die neue Partei USPD gründeten. Auch die bitteren Stunden der Nachkriegs-SPD sind eng mit realpolitischen und staatstragenden Beschlüssen verbunden. So leistete Helmut Schmidt mit dem Nato-Doppelbeschluss von 1979 Geburtshilfe für die Grünen. Ohne die atomare Rüstungspolitik der Schmidt-Regierung wäre die Öko-Partei vermutlich nie gegründet worden. Unter dem hehren Ziel der Bündnistreue zum Westen züchtete sich die SPD einen der größten politischen Konkurrenten selbst heran. Knapp 20 Jahre später war es die Agenda-Politik Schröders - von den einen als Initialzündung für das zweite deutsche Wirtschaftswunder gefeiert, von den anderen als Geburtsstunde für massenhafte Billig-Jobs verteufelt. Die Sozialreformen, die den Abbau der Massenarbeitslosigkeit einläuteten und dazu beitrugen, die Bundesrepublik vom wirtschaftlichen Schlusslicht der EU zum Musterknaben zu machen, waren gleichzeitig der Spaltpilz, der die Linkspartei erst ermöglichte. Zusammen kommen Grüne und Linke heute auf knapp 20 Prozent. Diese Punkte gehen zu Lasten der SPD. Wenn sie echte Machtoptionen will, muss die Partei einen schwierigen Spagat schaffen: Mit einer glaubhaften Gerechtigkeitsdebatte wieder die klassische SPD-Klientel ansprechen, die man mit den Hartz-Reformen verprellt hat - ohne dabei mit milliardenteuren Umverteilungsversprechen die Mitte der Gesellschaft zu vergrätzen. Doch die Genossen verengen ihren Wahlkampf auf den Ruf nach Steuererhöhungen, um Geschenkpakete für alle möglichen Gruppen zu packen. Was wie ein großes Sozialprogramm daherkommt, erscheint bei näherem Blick als bunte Wundertüte nach dem Motto: Für jeden ein bisschen was. Aber genau das könnte viele, die derzeit mit der SPD liebäugeln, wieder abschrecken. Die Aussichten nach dem 150. Geburtstag wären dann wenig berauschend: Entweder Juniorpartner der Union oder vier weitere Jahre in der Opposition.

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