Mittelbayerische Zeitung: Prima Klima?
Regensburg (ots)
Von Christine Hochreiter
Trotz der Schafskälte in vielen Teilen Deutschlands sind Verbraucher und Unternehmer derzeit so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr. Dies betrifft freilich nicht das Wetter, sondern vielmehr die ökonomische Lage. Rezession, Schuldenkrise und der Zwang zum Sparen finden anderswo in Europa statt - gefühlt ganz weit weg. Wer es sich leisten kann, öffnet das Portemonnaie und kauft ein, anstatt Geld auf die hohe Kante zu legen. Auch die Stimmung der Unternehmer hat sich zuletzt überraschend aufgehellt. Die Gründe dafür sind vielfältig: die robuste Situation am Arbeitsmarkt, die jüngsten Tarifabschlüsse wie beispielsweise in der Metall- und Elektroindustrie, die ein sattes Lohnplus vorsehen, historisch niedrige Zinsen - aber auch die Prognose, dass es im nächsten Jahr mit der Konjunktur wieder so richtig aufwärtsgeht. Herrliches Konjunkturklima also in Deutschland? Jein. Der blaue Himmel sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Musterschüler Europas nicht automatisch vom Rest der Welt abkoppeln kann. Wir leben in keinem Kokon und bis in alle Ewigkeit wird sich die Bundesrepublik der Krise nicht entziehen können. Die Frage lautet daher eher: Wie lange bleibt es bei uns noch so schön? Die harten Fakten: Der wichtige Handelspartner Frankreich ist in die Rezession abgerutscht. Und Länder wie Griechenland oder Spanien befinden sich in einer Dauer-Problemzone. Zu Euphorie besteht also mit Blick auf das Umfeld keinerlei Anlass. Zumal derzeit vor allem der Export schwächelt. Die Schuldenkrise im Euroraum findet zunehmend auch in den Auftragsbüchern der Unternehmen statt. Im Maschinenbau etwa ging das Europageschäft im ersten Quartal allein um neun Prozent zurück. Die Eurokrise schwebt als schwarze Gewitterwolke am Horizont und solange sie nicht gelöst ist, kann es kaum einen Konjunkturboom geben. Die Europäische Zentralbank hatte sich Mitte des vergangenen Jahres verpflichtet, im Notfall Anleihen strauchelnder Länder zu kaufen und dadurch für eine Beruhigung der Märkte gesorgt. Ob es am Ende tatsächlich richtig war, die Währungsunion mit der Notenpresse zu stabilisieren, darf bezweifelt werden. Die EZB kann die Staatsschuldenkrise dadurch vermutlich nicht lösen, sondern lediglich übertünchen. Sie kann so viel Geld drucken, wie sie möchte, und dafür Anleihen der Krisenstaaten kaufen. Auf Dauer wird dadurch die Inflationsgefahr immens erhöht. Ein binnendeutsches Problem, das sich künftig deutlich verschärfen dürfte, schafft es gottlob immer häufiger in die Schlagzeilen: der (drohende) Fachkräftemangel. Die Bundesregierung geht davon aus, dass zwischen 2010 und 2025 das "Erwerbspersonenpotenzial" demografiebedingt um sechs Millionen sinkt - wenn nicht gegengesteuert wird. Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, warnte bereits vor einem dramatischen Wohlstandsverlust. Dann wäre die Krise schnell auch bei uns ganz nah. Politik und Wirtschaft müssen dieses Thema also dringend aufgreifen. Handlungsbedarf besteht vor allem auch bei der Zuwanderung von Fachkräften. Die Bertelsmann-Stiftung forderte soeben eine "Schwarz-Rot-Gold-Karte", die Deutschland für ausländische Spezialisten attraktiver machen soll. Hochqualifizierte und Fachkräfte in Mangelberufen könnten eine unbeschränkte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung bekommen und eine zügige Einbürgerung als Perspektive. Das Hoch über dem deutschen Wirtschaftshimmel ist also keine Frage des Schicksals, sondern kann beeinflusst werden: durch den Blick auf den Horizont und beherztes Handeln.
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