Mittelbayerische Zeitung: Kommentar von Claus-Dieter Wotruba zur Frauen-Fußball-EM
Regensburg (ots)
Skandinavier gelten ganz allgemein als offene Menschen. In vielen Dingen gilt oder galt Schweden im Besonderen als Musterland - auch wenn ein weltbekannter Krimi-Autor wie Henning Mankell stetig den Finger in die sozialen Wunden in seiner Heimat legt. Die Frauenfußball-Europameisterschaft aber war wieder so ein Indiz für die Offenheit. Während anderswo noch immer offen die Nase über Kickerinnen gerümpft wird, sorgte Schweden für einen Zuschauerrekord und tolle Stimmung, die sogar über den Bildschirm greifbar war. Dass Deutschland zum achten Mal das Maß aller Dinge in Europa ist, lenkt in diesem, unserem Lande ein weiteres Mal den Blick auf den weiblichen Fußball. Mit dem Wechsel in den K. o.-Modus wechselte das junge Team von Bundestrainerin Silvia Neid auch selbst in einen anderen Modus und steigerte sich deutlich. Wobei die Kritik zu relativieren ist: Wie würde etwa ein Löwsches Männerteam beurteilt, wenn Philipp Lahm, Mesut Özil, Bastian Schweinsteiger und noch ein paar andere nicht einsatzfähig sind? Eben. Nebenbei bemerkt wäre es auch nicht tragisch gewesen, hätte Deutschland den EM-Titel nicht zum sechsten Mal in Folge geholt. Die fehlende Breite in Europa und Kanterergebnisse wie das deutsche 6:2 im letzten Finale gegen England sorgen ja auch dafür, dass Frauenfußball gerne die Klasse abgesprochen wird. 2013 aber macht es den Anschein, als würde Deutschland mehr gute Konkurrenz bekommen. Gott sei Dank. Holland, Spanien, vor allem Frankreich holen mehr und mehr auf - und das ist gut so. Mit drei 1:0-Siegen hintereinander erkämpften sich Deutschlands Frauen diesmal Platz eins. Wer frei von Vorurteilen das deutsche Halbfinale gegen Schweden und das Finale gegen Norwegen verfolgte, kann schwerlich bestreiten, dass das zwei höchst unterhaltsame Fußballspiele waren. Ob sich das gleich in einem dicken Zuschauer- und Akzeptanzplus im Ligaspielbetrieb niederschlägt, ist zu bezweifeln. Frauenfußball ist kein Männerfußball. Der übertriebene Hype bei der Heim-WM 2011 sollte Warnung genug sein. Aber das frische Team mit den Oberpfälzerinnen Simone Laudehr und Sara Däbritz hat bewiesen: Frauen können kicken. Nicht mehr und nicht weniger.
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