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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zu Wahlaussichten/Merkel

Regensburg (ots)

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche ihre ersten Termine nach dem Wanderurlaub wahrnimmt, dann ist das sicher kein Zuckerschlecken. Auftritte hier, Reden dort, wobei das Hier und das Dort jeweils an verschiedensten Ecken der Republik ist. Aber eigentlich ist alles in Ordnung im Land. Alles schläft, eine lacht: Angela Merkel. Sicher, da ist ein Horst Seehofer, der einmal mehr mit der Pkw-Maut Schlagzeilen macht und gar damit droht, keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, in dem die Maut für ausländische Autofahrer nicht enthalten ist. Das kann er gerne machen. Daran wird keine Koalition scheitern. Ein Prüfauftrag wird ihm reichen, und der letzte schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist voll solcher Prüfaufträge, die nach umgehender Prüfung nicht umgesetzt worden sind. Und "Vertrag" kommt nicht unbedingt von "vertragen", auch das haben die Wähler in den vergangenen vier Jahren gelernt. Ganz abgesehen davon, dass Seehofers Vorschlag viele rechtliche Fragen aufwirft: Er ist weder neu, noch originell. Auch, wenn er anders klingt, so ist er kein Affront gegen die CDU-Vorsitzende; sie wird wissen, was sie davon zu halten hat. Beide haben einen Pakt geschlossen. Einen sehr erfolgreichen. Es läuft einmal mehr blendend für die Unionsparteien. Ändert sich nichts Grundlegendes, dann ist so gut wie klar, dass es keine Koalition ohne Merkel geben wird. Rot-Grün wäre bislang auf eine Tolerierung durch die Linkspartei angewiesen. Und das wäre nicht nur in den Augen vieler Wähler undenkbar. Auch für viele Genossen wäre eine Zusammenarbeit mit der Linken ein Grund, die Partei zu verlassen. Eine Koalition aus Linken, SPD und Grünen ist völlig undenkbar. Bleibt nur mehr Schwarz-Rot, für den Fall, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht. In beiden Fällen ist Merkel wieder Kanzlerin. Und das auch deswegen, weil nichts, aber auch gar nichts ihr Schaden zufügt. Die Debatte über die Zusammenarbeit von BND und NSA ist ebenso wie die Drohnenaffäre ein Scheingefecht: weil es auf Ebenen unterhalb der Kanzlerin stattfindet. Selbst, wenn diese Ebene direkt unter ihr im Kanzleramt angesiedelt ist, bleibt sie selbst unbeschädigt. Ronald Pofalla hat gestern eine ziemlich gute Figur im Kontrollgremium abgegeben und das Anti-Spionage-Abkommen mit den USA aus dem Hut gezaubert. Damit ist die Luft auch aus diesem Thema vorerst raus. Noch schlimmer für die SPD: Sie hat es nun am Hals, weil die Regierung flugs den Spieß umgedreht hat und Pofallas Vorgänger als Kanzleramtschef für die intensivere Zusammenarbeit von BND und NSA verantwortlich macht. Es sind nicht einmal mehr sechs Wochen bis zum Wahltag. Und alle Attacken laufen bislang ins Leere. Warum? Weil Merkel das Land in den Schlaf gewiegt hat, und die SPD kann die Wähler nicht wecken. Merkel selbst meidet die Konfrontation und die Unionsparteien machen dasselbe. Warum auch sollte Merkel sich einer Debatte über Probleme im Land aussetzen, wenn die in der Wahrnehmung der meisten Bürger gar nicht existieren? Wenn Arbeitsplätze sicher, die Schuldenkrise weit weg und Armut irgendwo anders oder im Verborgenen stattfindet? Wenn es leicht ist, Massen zu mobilisieren mit der Forderung nach einer Pkw-Maut, deren Umsetzung gelinde gesagt utopisch ist. Wie sich seit dem Wochenende zeigt, klappt das so federleicht und mühelos, wie das Wegdrücken von unangenehmen Fragen nach verschwendeten Steuermilliarden bei Rüstungsprojekten (Euro Hawk), sinnfreien Sozialleistungen (Betreuungsgeld) oder gar dem Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Wer will, kann jetzt weiterschlafen.

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