Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zur Leichtathletik-WM
Regensburg (ots)
von Claus-Dieter Wotruba, MZ
Es ist so. Immer noch. In Jahren ohne Olympische Spiele und ohne Fußball-Weltmeisterschaft kommt der Leichtathletik-Weltmeisterschaft die tragende Rolle des Sportjahres zu. Alle Blicke waren also neun Tage auf Moskau gerichtet. Was die Augen dort zu sehen bekamen, war aus vielen Winkeln interessant. Neu ist: Die Welttitelkämpfe 2013 sind die ersten, bei denen das Publikum keinen Weltrekord zu bestaunen hatte. Das ist nicht abwertend - eher im Gegenteil. Mancher Betrachter sieht den Kampf gegen Doping endlich, endlich auf einem guten Weg. Dagegen sprechen zwar immer wieder Leistungen von Sportlern, die schon von einer Sperre betroffen waren und nach ihrer Rückkehr noch mehr oder genauso glänzen. Andere Ergebnisse klingen wieder menschlicher. Jetzt gilt es, die Schlupflöcher auch bei kleineren Staaten zu schließen, wo das Kon-trollsystem leichter zu umgehen ist. Denn gerne wird vergessen: In manch anderen Sportarten nehmen insgesamt so viele Nationen an den Wettkämpfen teil wie in der Leichtathletik mit ihren über 200 startenden Ländern alleine schon Medaillen gewinnen. Positiv ist: Sogar das große Russland scheint den Dopingkampf angenommen zu haben. Allerdings: Vorsichtige Formulierungen sind angebracht, Hintergrundwissen ist schwer zu bekommen. Die Russen zeigen Interesse, sich einzugliedern. Was wäre da besser geeignet als der Sport? Forciert werden die Bemühungen mit allerhand Großereignissen: Nicht nur den Winterspielen in Sotschi im nächsten Jahr oder der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 - nein, dazwischen liegen auch noch die Schwimm-WM 2015, die Eishockey-WM 2016 und ein neuer russischer Formel-1-Kurs. Hehre Ziele sind es sicher nicht, die der mit Milliardenaufwand betriebenen Offensive zugrunde liegen. Ein gerüttelt Maß an Selbstdarstellung und Protz von Putin und Co. gehört zu den Motiven. Vielleicht auch eine sanfte Wiederkehr des Vergleichs der Weltmächte Russland und USA auf sportlichem Terrain. Moskau war auch eine Einstimmung für den Sportfan auf die russische Mentalität, die uns nun länger begleitet. Moskau fehlte Londons Charme, nicht nur vor dem Fernsehschirm: Noch haben die Gastgeber Gelegenheit zu lernen, sich auf die Welt einzustellen. Und die Welt hat Zeit, sich anzupassen. Das ist im jahrelang abgeschotteten Osten vielleicht immer noch ein Stück schwerer als in der westlichen Hemisphäre. Aus deutscher Sicht brachte Moskau positive Erkenntnisse. Die Dürrejahre wie jene 2008, als bei Olympia in Peking gerade eine Medaille heraussprang, sind überwunden, Deutschland bleibt in der Leichtathletik in der Weltspitze und hält zum Beispiel auch mit den so viel gelobten Briten mit. Allerdings: Auch wenn die Mannschaft jung ist und Perspektive hat, dünnen die deutschen Teilnehmer in manchen Disziplinen aus. Den Anschluss dort zu schaffen, ist eine Aufgabe, die nur mit Initiative und Engagement gelingen kann. Und hinter dem einen oder anderen Leistungsträger wie den Aushängeschildern Robert Harting und David Storl klaffen selbst in den Vorzeige-Wurf- und Stoßdisziplinen bedenkliche Lücken. Die Leistungsstärke zu erhalten oder sogar zu verbessern, ist ob des allgemeinen Stellenwerts der Leichtathletik nicht einfach. Das veranschaulichen die Zahlen mancher Nachwuchsmeisterschaften. Leichtathletik ist trainingsintensiv und so viel Geld zu verdienen, wie zum Beispiel im Fußball, ist schwer möglich. Und dennoch: Die Bilder aus Moskau haben gezeigt, dass Laufen, Werfen und Springen immer noch fasziniert, weil es so schön vergleichbar ist und jeder etwas mit den Werten anfangen kann. Auch das ist so. Immer noch.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell