Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Steuerdebatte: "Der Steuerbasar ist eröffnet" von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Ja, nee, is klar, könnte man mit dem Comedian Atze Schröder sagen. Gerade mal drei Tage nach der Wahl, irrlichtern CDU-Größen mit der vagen Ankündigung, man könne auch über Steuererhöhungen reden. Getreu dem Adenauer-Motto, was schert mich mein Geschwätz von gestern, gehen Christdemokraten daran, ein Wahlversprechen - Keine Steuererhöhungen mit uns! - abzuräumen als wäre es schmutziges Geschirr vom Vortage. Freilich wird das Gebrabbel schon tags darauf wieder pflichtgemäß dementiert. Doch die Botschaft ist in der Welt: Um Merkels Kanzlerschaft zu sichern, wäre die Union sogar bereit, heilige Kühe zu schlachten. Ohne Not, aber mit tieferer Absicht haben Schäuble und Co. Signale an die SPD ausgesandt. Der Steuerbasar jedenfalls ist eröffnet, egal wie heftig die Wirtschaft und der lahme Unionswirtschaftsflügel oder die CSU aufbegehren. Dabei haben noch nicht einmal Sondierungen über mögliche Koalitionen begonnen. Wie auch? Sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne sind noch mit Wundenlecken beschäftigt. Die kopflosen Grünen scheinen sogar völlig aus dem Spiel. Und wenn schon deren eigene Führungen nicht mehr sagen können, wo es lang geht, dann machen dies Unioner gleich mit. Zumindest werfen sie leckere Köder aus, denen Realo-Sozialdemokraten kaum widerstehen können. Opposition ist schließlich Mist und viel schlechter als eine abermalige große Koalition, bei der es immerhin Posten zu verteilen gäbe und - viel wichtiger - auch eigene Politik-Inhalte angegangen werden könnten. Doch anders als vor acht Jahren, als sich Schwarz und Rot gleich zu Beginn auf eine unpopuläre Mehrwertsteueranhebung verständigten, könnte man diesmal etwa die Anhebung des Spitzensteuersatzes mit dem Gerechtigkeitsargument untermauern. Im Gegenzug zu ein wenig mehr Steuerlast bei Besserverdienern würde man endlich die kalte Progression angehen, die bei mittleren Einkommen Lohnzuwächse unverhältnismäßig stark auffrisst. Versprochen hatte dies übrigens schon Schwarz-Gelb, scheitern ließen es die Gerechtigkeits-Sozialdemokraten im Bundesrat. Zudem ist es die Crux dieses neuen Bundestages, der praktisch von vier mehr oder weniger sozialdemokratisch gepolten Fraktionen bestimmt wird, dass ein wirkliches steuerpolitisches, liberales Korrektiv nahezu völlig fehlt. Der Zweitstimmen-FDP haben das die Wähler nicht mehr und der populistischen Raus-aus-dem Euro-AfD vielleicht noch nicht zugetraut. Und sollte es - irgendwann in den nächsten Monaten - doch zu einer großen Koalition kommen, finden Union und SPD sicher viele Gründe, um das abermalige Drehen an der Steuerschraube zu bemänteln. Sie könnten sich bei Atze Schröders Motto bedienen.
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