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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur NSA-Affäre/Edward Snowden: "Verrat an Snowden" von Stefan Stark

Regensburg (ots)

Er war so etwas wie der Edward Snowden der 70-er Jahre: Mark Felt - besser bekannt unter seinem Decknamen "Deep Throat", der mit seinen Enthüllungen im Watergate-Skandal den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall brachte. Seine brisanten Informationen gab Felt der "Washington Post" nur preis, weil ihm die Reporter Anonymität zusicherten - und weil er sich absolut darauf verlassen konnte. Heute wäre ein solcher Deal unmöglich. Denn mit den technischen Mitteln, die den Geheimdiensten inzwischen zur Verfügung stehen, hätten die Behören "Deep Throat" schnell enttarnt. Mit dieser Gewissheit hätte Felt wohl für immer geschwiegen. Man kann also durchaus annehmen, dass einer der größten Polit-Skandale der amerikanischen Geschichte nie aufgeflogen wäre, wenn es damals bereits die heutigen Mittel zur totalen Überwachung gegeben hätte. Das Beispiel zeigt, wie wichtig die sogenannten Whistleblower sind, um kriminelle Machenschaften von Politikern oder Regierungsstellen aufzudecken. Gleichzeitig macht es deutlich, in was für eine heikle Situation sich die Enthüller der 2010er-Jahre begeben müssen. Snowden - und das ist der wesentliche Unterschied zu "Deep Throat" - nahm in Kauf, dass er von seinen Landsleuten für vogelfrei erklärt wird. Die USA haben unmissverständlich klargemacht, was sie von Snowden halten und mit ihm zu tun gedenken. Die einzige "Brücke", die ihm die Amerikaner für eine Rückkehr gebaut haben ist das Versprechen, ihm die Todesstrafe zu ersparen. Für das "Verbrechen", dass er die Wahrheit gesagt hat und aller Welt die Augen über den großen Bruder USA geöffnet hat, erwartet ihn in seiner Heimat lebenslange Haft. Eigentlich müssten sich die Europäer, allen voran Deutschland, dankbar gegenüber Snowden zeigen, weil sie am meisten von seinen Enthüllungen profitieren. Ohne Snowden würde etwa das Handy der Kanzlerin heute noch abgehört. Doch genau das Gegenteil von Dank ist der Fall. Die Bundesregierung vertritt die Meinung, Snowden wäre in Moskau gut aufgehoben - in der Machtsphäre des Autokraten Wladimir Putin. Man überlässt Snowden der Gnade des Ex-KGB-Spions Putin, die sich schnell in Ungnade verwandeln kann. Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht Snowdens, sondern ein entmutigendes Signal an alle potenziellen Whistleblower, die im Augenblick mit sich ringen, ob sie einen Skandal öffentlich machen sollen. Die gestrige Anhörung der britischen Geheimdienstchefs stellt vor diesem Hintergrund genauso eine Showveranstaltung dar wie der geplante Besuch von US-Außenminister John Kerry in Berlin. Beides besitzt zwar Symbolkraft. Doch wegen symbolischer Gesten werden weder Amerikaner noch Briten ihre Spione aus Deutschland abziehen. Das weiß auch die Bundesregierung. Doch das jämmerliche Bild, das sie hier abgibt, wird zur erbärmlichen Farce, indem eine deutsche Delegation Snwoden nun in Moskau befragen soll. Um einen Konflikt mit den USA zu vermeiden, wird das Treffen in einer der Welthauptstädte der Unfreiheit stattfinden. Das stellt den Höhepunkt der deutschen Selbstdemütigung dar. Anstatt Snowden zu uns zu holen und sich als europäische Führungsmacht selbstbewusst gegen den US-Überwachungswahn zu stellen, beschwört man den Zusammenhalt des transatlantischen Bündnisses. Das ist ein fadenscheiniger Vorwand, mit dem sich die Merkel-Regierung freimütig für die Rolle eines katzbuckelnden Vasallen Washingtons hergibt. Denn die Beziehungen zu den USA sind bereits auf einem Tiefpunkt und so zerrüttet wie seit Gerhard Schröders Verweigerung zum Irak-Krieg nicht mehr. Die Amerikaner behandeln Deutschland in puncto Spionage wie einen Feindstaat. Was sich an den Beziehungen noch verschlechtern sollte, falls man Snowden ein Aufenthaltsrecht bei uns gewähren würde, ist völlig rätselhaft. Vielmehr hinterlassen die diplomatischen Verrenkungen fast den Eindruck, dass unsere Regierung die US-Praktiken insgeheim noch gutheißt.

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