Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Ulrich Krökel zum UN-Klimagipfel
Regensburg (ots)
Kofi Annan fand drastische Worte. Es gehe beim Kampf gegen den Klimawandel "ums Überleben", erklärte der frühere UN-Generalsekretär kurz vor Beginn des Weltklimagipfels in Warschau. Wie zum Beleg des Grauens brach in den vergangenen Tagen der Taifun "Haiyan" über die Philippinen und Vietnam herein und zog eine Schneise von Tod und Verwüstung. Erst vor wenigen Wochen hatten die Forscher des Weltklimarates IPCC vor derart extremen Wetterphänomenen gewarnt. Sie prophezeiten Dürren, Wirbelstürme und einen kaum aufzuhaltenden Anstieg des Meeresspiegels - und damit buchstäblich den Weltuntergang. Die Bilder aus Südostasien untermalen diese Schreckensvision. In Kontrast dazu stehen - trotz manch bewegender Rede - die routinierten Abläufe zum Auftakt der Warschauer Megakonferenz. Delegationen aus fast 200 Ländern haben sich in Polens Nationalstadion versammelt. Hinzu kommen Scharen von Experten sowie die Vertreter dutzender Nichtregierungsorganisationen. Sie alle geben Verlautbarungen heraus und suchen den Weg in die Öffentlichkeit. Die deutsche Bundesregierung beispielsweise hat schnell noch ein "Jahr der Ambitionen" im Klimaschutz ausgerufen. Das klingt schön und kostet nichts. Wunderbare Worte fand auch Gipfel-Gastgeber Marcin Korolec. Der polnische Umweltminister erinnerte nicht nur an die Opfer auf den Philippinen. Er beklagte auch, dass sich die Menschen in der reichen Hälfte der Welt vor allem Gedanken darüber machen würden, wie sie ihre Smartphones am besten aufladen, während es in vielen Entwicklungsländern überhaupt keine Elektrizität gebe. Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber lachen. Korolec, der das bekennende Kohleland Polen vertritt, geriert sich sonst eher wie ein Wirtschafts- als ein Umweltminister. "Wir dürfen nicht auf Wachstum verzichten", lautet einer seiner Standardsätze. Am Rande der Apokalypse, so könnte man meinen, beherrschen Technokraten, PR-Strategen und Schönredner die Szene. Doch das griffe zu kurz. So entsetzlich das Wüten des Taifuns in Asien auch ist: ständige Warnrufe im Superlativ helfen kaum weiter. Der Daueralarm wird die Schöpfung nicht bewahren, sondern beim gemeinen Homo Sapiens eher zu Abstumpfung führen. Vielmehr sind Klimagipfel wie in Warschau ein Wert an sich. Wie anders sollte es gelingen, die Staaten der Welt zusammenzubringen und zum Handeln zu zwingen? Es ist ja wahr: Bislang ersetzen in der Klimapolitik allzu oft erklärte Ambitionen die echten Aktionen. Besonders deutlich wird dies beim zentralen Warschauer Thema "loss and damages". Für Verluste und Schäden durch den Klimawandel, der vor allem die Entwicklungsländer trifft, sollen die Industriestaaten zahlen. Konkrete Zusagen scheuen die reichen Länder aber wie der Teufel das Weihwasser. Nicht auszuschließen ist zudem, dass sich in Warschau und auch in Paris 2015 einzelne Staaten in der Masse der Gipfelteilnehmer verstecken. Was beispielsweise haben Russen, Inder und Brasilianer zum Klimaschutz beizutragen, in deren Ländern die ökologische Situation teilweise verheerend ist? Die Mutigen jedoch könnten die Drückeberger ans Licht zerren. Sie müssten dazu klare Ziele setzen und diese mit eigenen Taten untermauern. Gefordert wäre in diesem Sinne vor allem die EU. Die Europäer haben mit ihrer jüngsten Einigung über eine Reform des Emissionshandels immerhin ein grünes Zeichen gesetzt. Es wird allerdings von roten Stoppsignalen überstrahlt, die nicht nur das Kohleland Polen aussendet. Auch die selbst ernannten Energiewende-Helden in Deutschland haben mit ihrer Industriepolitik vieles falsch gemacht - Stichwort CO2-Ausstoß bei Autos. Das ist bitter, denn es geht ums Überleben.
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