Mittelbayerische Zeitung: Die Politik als Jobbörse / Der nahtlose Wechsel eines Politikers in die Wirtschaft hat stets ein Geschmäckle. Der Fall Pofalla aber stinkt. Von Maria Gruber
Regensburg (ots)
Wer es auf einen bestimmten Job abgesehen hat, versucht, dem Wunscharbeitgeber so gut wie nur möglich zu gefallen. Wer keine oder zu wenige Stationen in seinem Lebenslauf aufzuweisen hat, die ihn für den potenziell neuen Job qualifizieren, hat entweder die Möglichkeit, seine Vita aufzupolieren oder ab sofort alles zu tun, was ihm den Weg zu dieser Arbeitsstelle ebnet. Umgekehrt steht es einem Unternehmen frei, eine Fachkraft zu locken, indem es Versprechungen oder gar Geschenke macht, die den Betrieb für den Arbeitnehmer attraktiver machen. Dieses Werben ist auf dem Arbeitsmarkt wohlerprobt und legitim - wird dieses Spiel jedoch zwischen Politik und Wirtschaft gespielt, bekommt es ein Geschmäckle - vor allem, wenn ein vormals hochstehender Politiker nahtlos in einen lukrativen Job in der freien Wirtschaft wechselt - der sogenannte Drehtüreffekt. Mehr als nur ein fader Beigeschmack bleibt in der Causa Pofalla, für den die Antikorruptionsorganisation "Transparency International" durchaus die richtigen Worte findet: Die Neuschafftung eines Postens für den Ex-Kanzleramtsminister in einem Staatskonzern, für den Ronald Pofalla auch noch als Chef-Lobbyist agieren soll, kann mit Fug und Recht als ein Zeichen für den Verfall der politischen Sitten gewertet werden. Das ist unverhohlener Lobbyismus und Vetternwirtschaft erster Klasse. Spektakuläre Wechsel von Politikern hat es natürlich schon vor Ronald Pofalla gegeben: Wohl bekanntestes Beispiel ist Gerhard Schröder, der kurz nach Ende seiner Kanzlerschaft einen Posten bei der russischen Gazprom-Tochter Nord Stream AG annahm. Nur wenige Monate nach dem Ausscheiden des Putin-Freunds aus der Politik wurde dann bekannt, dass er als Kanzler offenbar die Übernahme einer staatlichen Bürgschaft für einen Gazprom-Kredit angeregt hatte. Nur zwei Monate dauerte es, bis der Baukonzern Bilfinger Berger offiziell bekanntgab, den im August 2010 zurückgetretenen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zum Vorstandsmitglied und später zum Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens zu berufen. Dass die Auftragsvergabe diverser Bauprojekte am Frankfurter Flughafen damit in Verbindung stünde, was Kritiker behaupten, wurde bis heute nicht geklärt. Wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsannahme im Amt wird gegen Eckart von Klaeden ermittelt. Dessen Wechsel in die Daimler AG wurde noch während seiner Tätigkeit als Merkels Staatsminister bekannt. Dank der Jobbörse Politik ist nun auch der frühere Kanzleramtsminister - und Noch-Bundestagsabgeordnete - Ronald Pofalla versorgt. Dabei hatte er bei seinem überraschenden Rückzug aus der ersten Reihe der Bundespolitik treuherzig angekündigt, in Zukunft mehr Gewicht auf sein Privatleben legen zu wollen. Anstatt dessen schafft die Bahn nun offenbar einen eigens auf Pofalla zugeschnittenen, millionenschweren Posten, der ihm etwa 1,3 bis 1,8 Millionen Euro pro Jahr, ein Vielfaches seines bisherigen Gehalts, bringt. Dafür wird er seinen Einfluss und seine Kontakte, die er als langjähriger Vertrauter von Bundeskanzlerin Merkel zweifellos hat, im Interesse der Bahn geltend machen und den ein oder anderen unangenehmen Beschluss zu verhindern wissen. Bleibt die Frage, ob Pofalla bereits als Kanzleramtsminister für die neue Stelle in Vorleistung gegangen ist. Die SPD kann nun zeigen, wie ernst es ihr war, als sie vor der Bundestagswahl eine 18-monatige Karenzzeit für scheidende Regierungsmitglieder gefordert hatte. Sie muss nun darauf bestehen, dass die große Koalition nicht nur - wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben - über die Einführung einer solchen Ruhezeit für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln, nachdenkt. Der Beziehung zwischen Union und SPD würde das sicher nicht gut tun, für die politische Kultur Deutschland allerdings wäre es ein Segen.
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