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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur US-Außenpolitik: "Verbrannte Erde" von Stefan Stark

Regensburg (ots)

Es kommt nicht oft vor, dass ein ehemaliger Pentagon-Chef seinem alten Dienstherren in aller Öffentlichkeit derart ans Bein pinkelt. In seinen Memoiren bezeichnet Ex-US-Verteidigungsminister Robert Gates die Afghanistan-Politik von Barack Obama als gescheitert. Der US-Präsident sei ein Zauderer, der nicht einmal an seine eigene Militärstrategie geglaubt habe und nun am Hindukusch sang- und klanglos den Schwanz einzieht. Die Ohrfeige sitzt. Vielleicht ist es ja nur die Abrechnung eines frustrierten Alt-Politikers nach dem Motto: Hättet ihr doch nur auf mich gehört! Vielleicht hat Gates bei der Formulierung der harschen Vorwürfe auch an die Verkaufszahlen für seine Autobiografie gedacht. Und sicherlich ist die Kritik zu einem gewissen Teil unfair. Denn eines von Obamas zentralen Wahlversprechen war es, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Und nun macht er seine Ankündigung eben wahr, wofür ihm nicht nur in Amerika Beifall gewiss ist. Doch im Kern trifft die Kritik des Ex-Ministers an der Planlosigkeit seines Präsidenten zu - vor allem, wenn man sie in einen größeren Kontext stellt. Kabul, Bagdad, Damaskus - die Brennpunkte im Mittleren und im Nahen Osten geben Zeugnis von einem geradezu historisches Versagen der Supermacht USA. Die Strategie, Afghanistan und dem Irak mit militärischen Mitteln eine Demokratie überzustülpen, ist völlig misslungen. Zwischen Euphrat und Tigris sterben Jahr für Jahr Tausende Menschen bei Anschlägen. Gleichzeitig erstarkt dort Al-Kaida. Die Terrororganisation nutzt das Land nicht mehr nur als Rückzugsraum, sondern marschiert inzwischen in irakische Städte ein. Die Amerikaner haben nach ihrem Abzug 2011 verbrannte Erde hinterlassen und eine Regierung eingesetzt, unter der das von religiösen Konflikten erschütterte Land auseinanderbricht. Terror und Anarchie im Irak münden immer mehr in einen blutigen Bürgerkrieg. Im Nachbarland Syrien wiederum geht das Gemetzel weiter, weil Obama zögerte und zauderte. Erst drohte er dem Regime mit Luftschlägen, dann machte er einen Rückzieher. Nicht nur die USA, der gesamte Westen ließ sich einlullen von der Ankündigung des Diktators Baschar Al-Assad, das Giftgas zu vernichten. Nun sehen die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder geflissentlich weg, wenn die syrische Armee Napalm und Nagelbomben auf Zivilisten wirft. Und wie sich gleichzeitig Terrorgruppen einen immer erbitterteren Krieg liefern. Ein halbes Jahr ist es her, dass die UN die Zahl der Toten in Syrien auf 100 000 beziffert haben. Danach hat die Weltgemeinschaft mit dem Zählen aufgehört. Angesichts der gefährlichen Eskalation in Syrien und im Irak, die die gesamte Region in Brand setzen könnte, ergeben sich Zweifel, ob Obama überhaupt eine Nahost-Strategie verfolgt. Und mit Blick auf Afghanistan stellt sich die Frage, wie sich der US-Präsident die Zukunft dieser Region vorstellt. In diesem Jahr sollen die letzten amerikanischen Kampftruppen abziehen. Schlimmstenfalls droht dann ein zweiter Irak - in unmittelbarer Nachbarschaft zur Atommacht Pakistan. Das wäre die völlige Bankrotterklärung für Obamas Außenpolitik. Ex-Pentagonchef Gates spart bei seinen Vorwürfen auch Obamas Vorgänger George W. Bush nicht aus, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den Afghanistan-Einmarsch befohlen hatte. Mit Blick auf den von Bush erhofften Wandel in dem Land meint Gates, seine Ziele seien "auf peinliche Weise ehrgeizig und historisch naiv" gewesen. Diese Feststellung trifft absolut zu. Wer in den Krieg zieht, sollte wissen, wie er anschließend Frieden schaffen will. Die Amerikaner sind gleich in zwei Kriege gezogen - und hinterlassen ein Desaster.

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