Mittelbayerische Zeitung: Ernüchternd
Kommentar zum Besuch Erdogans in Brüssel
Regensburg (ots)
Einfach war das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara noch nie. Doch seit die türkische Regierung im Zuge der Korruptionsaffäre Polizisten und Justizbeamte strafversetzt, scheint der Graben unüberwindbar groß. Was sich beim brutalen Umgang mit den Gezi-Demonstranten bereits abgezeichnet hat, wird mit Erdogans Säuberungsaktionen glasklar: Eine unabhängige Justiz gibt es in der Türkei nicht mehr. Damit verstößt das Land gegen die Kopenhagener Kriterien für Beitrittsstaaten. Die Ernüchterung könnte nicht größer sein. Noch im Oktober schien Ankara auf gutem Weg. Erst machte die EU den Weg für die Eröffnung eines weiteren Beitrittskapitels frei, dann stellte sie Visa-Erleichterungen in Aussicht. Doch diesen Vertrauensvorschuss hat die Türkei nun zunichte gemacht. Beim gestrigen Treffen ließ Premier Erdogan die Maske fallen. Er stellte klar, was er von Gewaltenteilung hält: nichts. Dabei sind die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in der EU weder verhandelbar noch gibt es einen Interpretationsspielraum. Wer zur Union gehören will, muss dafür sorgen, dass die Justiz unabhängig vom Einfluss der Regierung agieren kann.
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