Mittelbayerische Zeitung: Der Faceboom - Seit zehn Jahren existiert das Soziale Netzwerk Facebook, und es hat unser Leben verändert. Von Nina Köstler
Regensburg (ots)
Nach dem Sturz des Machthabers Hosni Mubarak haben ägyptische Eltern ihr Kind "Facebook" genannt, seit 2011 lebt in Israel ein Mädchen namens "Like", benannt nach dem "Gefällt mir"-Button. Was zunächst reichlich seltsam klingt, ist im Grunde nur Ausdruck dafür, wie sehr der "Faceboom" zum Leben gehört. Beim Machtwechsel in Ägypten haben Soziale Netzwerke eine zentrale Rolle gespielt und auch für den Vater von "Like" ist klar: "Facebook schafft heute Revolutionen". Da außerdem eh alle Facebook-Freunde auf "Like" klicken würden, wenn er Babyfotos einstelle, könne man das Mädchen gleich beim Namen nennen. Zehn Jahre nach der Gründung ist Mark Zuckerbergs Erfindung für Milliarden Menschen weltweit zu einem festen Bestandteil ihres Alltags geworden. Facebook spielt inzwischen eine wichtige Rolle in unseren Beziehungen. Die meisten davon entstehen sicherlich noch im realen Leben, werden dann aber online gepflegt. Gleichzeitig steigt die Zahl der Beziehungen, die überhaupt erst über das Netzwerk aufgebaut werden. Andere Kontakte bleiben nur via Facebook bestehen. Und dank Facebook sind wir mit viel mehr Menschen in Kontakt als bisher. Wahre Freunde sind viele davon wohl kaum. Psychologe Robin Dunbar hat lange vor dem Web 2.0 ermittelt, dass die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen lediglich zur aktiven Pflege von höchstens 150 Kontakten ausreichen. Bereits die durchschnittliche Zahl der Facebook-Freunde liegt aber bei 342. Diese Entwicklung lässt Forscher Schlimmes befürchten. So warnt Sherry Turkle, Professorin am Massachusetts Institute of Technology, in ihrem Buch "Alone Together", dass das Facebook-Freundschaften das Finden neuer Freunde im echten Leben ersetzt habe. Kurz gesagt: Dank Facebook und Co. hätten Menschen nicht mehr länger das Bedürfnis, mit anderen persönlich zu kommunizieren, denn das passiere ja im Netzwerk. Unser Essen, unsere Urlaube, Hochzeiten, Trennungen und unser Nachwuchs landen in Echtzeit im Sozialen Netz - getreu dem "Teilen macht Freude"-Prinzip. Es macht uns Spaß, besondere Momente festzuhalten und mit unserem Netzwerk zu teilen. Likes und Kommentare dienen der Selbstbestätigung. Neben dem Drang selbst ständig Neuigkeiten aus dem eigenen Leben mitzuteilen, wird auch das Bedürfnis, das Leben der anderen zu überwachen, immer größer. Dank Facebook erfahren wir sofort, was bei Freunden gerade so los ist. Glaubt man einer britischen Studie, setzt uns das sogar so sehr unter Druck, dass sich unser Gehirn verändert. Durch die Dauerteilhabe am Alltag unserer Mitmenschen wird unser Gehirn demnach langsam von "Individualist" auf "öffentlicher Gemeinschaftsmensch" programmiert. Auch bei den Deutschen hat sich so die Einstellung zu ihrem bisher höchsten Gut verändert: die Privatsphäre. Während ein Aufschrei durchs Land ging, als Google mit seinen Autos Fotos von den Fassaden unserer Häuser gemacht hat, teilten wir freudig Bilder unserer Kinder mit unseren Facebook-Freunden. Alle unsere Daten schlummern auf riesigen Servern, jederzeit zum Verkauf an zahlungswillige Werbekunden bereit. Damit fühlt sich niemand wirklich wohl, abschrecken lassen sich aber die wenigsten. Die Digital Natives wissen, dass die Teilhabe am Social Web nicht kostenlos ist, man bezahlt mit seinen Daten. Für die meisten ist das aber auch völlig okay. Schließlich ist Facebook das ideale Kommunikationsmittel einer digitalisierten und globalisierten Welt. Und selbst wenn das Zuckerberg-Imperium in zehn Jahren nicht mehr existieren sollte, das digitale Leben wird immer mehr mit unserem realen Leben verschmelzen. Facebook ist erst der Anfang.
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