Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Heinz Gläser zu Doping
Regensburg (ots)
Sage und schreibe siebeneinhalb Jahre: So lange währt er nun schon, der zähe Kampf um ein echtes Anti-Doping-Gesetz für Deutschland. Die Mehrheit des organisierten Sports hierzulande hat es verstanden, mit einer Art Hinhaltetaktik und unter Verweis auf die geheiligte Autonomie des Sports alle Vorstöße in diese Richtung abzublocken. Die erste große Koalition unter Angela Merkel beließ es wunschgemäß bei einer halbherzigen Modifizierung des Arzneimittelgesetzes, das bis heute allerlei Schlupflöcher für den organisierten Sportbetrug enthält. Beispielhaft dafür steht die aberwitzige Beschränkung der Strafverfolgung auf den Besitz "nicht geringer Mengen" verbotener Substanzen. Nicht, dass der Sport seinen Widerstand jetzt gänzlich aufgegeben hätte. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband hat sich kurz vor dem Jahreswechsel an einem Etikettenschwindel versucht. Als solcher ist der Vorschlag anzusehen, alle bisherigen Regelungen zu bündeln und sodann das Konstrukt mit dem Stempel "Anti-Doping-Gesetz" zu adeln. Es dürfte sich um den letzten verzweifelten Versuch gehandelt haben, das Unvermeidliche abzuwenden. Denn nun nimmt die Politik das Heft in die Hand. Das ist zu begrüßen - und zudem ein längst überfälliger Schritt. Wenn Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) jetzt Eckpunkte eines "Sportschutzgesetzes" präsentiert, tritt er damit in die Fußstapfen seiner Vorgängerin Beate Merk. Und tatsächlich geht es auch darum, den Sport vor sich selbst zu schützen. Diese milliardenschwere Unterhaltungsindustrie hat hinreichend nachgewiesen, dass sie ihre Probleme - dazu zählt neben der Leistungsmanipulation zum Beispiel auch der Wettbetrug - nicht selbst in den Griff bekommt. Polizei und Staatsanwaltschaften verfügen eben über ein ganz anderes Instrumentarium, wenn es darum geht, Kriminellen auf die Schliche zu kommen. Im Gegensatz zu Merk kann sich Bausback sicher sein, dass seine Initiative nicht auf taube Ohren stößt. Die Mehrheit der Bundesländer steht mittlerweile hinter den Vorschlägen aus dem Freistaat. Auch der für den Sport zuständige Innenminister Thomas de Maizière hat bereits signalisiert, dass er bei diesem Thema Handlungsbedarf sieht. Im Koalitionsvertrag ist das Ziel der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit von Dopingmitteln verankert. Die Klausel "nicht geringe Mengen" wäre Vergangenheit. Nimmt man noch eine Kronzeugenregelung hinzu, sind die Kernpunkte des neuen Anti-Doping-Gesetzes skizziert. Dessen Gegner argumentieren weiterhin, die autonome Sportgerichtsbarkeit könne Dopingdelikte viel schneller und effektiver ahnden als staatliche Instanzen. In der Tat: Vor Strafgerichten gilt die Unschuldsvermutung, in Sportgerichtsverfahren dreht sich die Beweislast um, wenn verbotene Substanzen im Körper des Athleten gefunden wurden. Doch tastet ein Anti-Doping-Gesetz die Arbeit der Sportrichter nicht an. Es ergänzt vielmehr das zur Verfügung stehende juristische Arsenal, um der Seuche Sportbetrug wirksam zu begegnen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat unter der Führung seines Präsidenten Clemens Prokop unermüdlich für ein solches Gesetz gestritten. Der Regensburger Amtsgerichtsdirektor hat sich über die Jahre so manche herbe Abfuhr im DOSB eingehandelt, dessen damaliger Präsident Dr. Thomas Bach stets solide Mehrheiten gegen die DLV-Anträge organisierte. Bei den Berliner Koalitionsverhandlungen saß Prokop nun als Experte mit am Tisch, und das Anti-Doping-Gesetz, so es denn bald verabschiedet wird, dürfte auch seine Handschrift tragen. Er und seine Mitstreiter haben bewiesen, dass sich ein langer Atem auszahlt - im Sport allemal.
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